Der Flonheimer Trullo auf dem Adelberg hat nichts mit Sean Connery und Wesley Snipes zu tun. Und doch ist seit diesem Sonnenaufgang für mich hier die Wiege der Sonne.
Es ist am 9. Februar gegen halb sieben Uhr am Morgen. Es ist Donnerstag, und ich habe bereits meine Jogging-Klamotten an, denn Donnerstag ist einer meiner Lauftage. Gestern abend habe ich meine Laufklamotten bereits griffbereit neben das Bett gelegt. So komme ich nicht in Versuchung, meinen Lauf zu verschieben oder ausfallen zu lassen.
Am Wochenende will ich bei gutem Wetter zum Trullo auf dem Adelberg bei Flonheim fahren, um dort mein #12SunriseRheinhessen-Foto für den Februar zu machen. Für das Wochenende verspricht die Wettervorhersage endlich das passende Wetter mit keinen oder wenig Wolken. Die Woche über soll es noch weiter wolkig bleiben. Einen groben Überblick habe ich mir mit Google Maps schon verschafft, aber heute oder morgen werde ich mir die Fahrroute und den Anstieg zum Trullo auf Google Maps genauer ansehen. Meine Ausrüstung muss ich mir auch noch parat legen.
Aber heute geht es erst einmal in die Kälte zum Joggen. Ein kurzer Blick aus dem Fenster, dann ins Bad … halt! Da draußen, am Himmel: Überall sind die Sterne zu sehen! Ich fasse es nicht. Das war so nicht vorgesehen! Egal, erst einmal ins Bad. Ein paar Minuten später setze ich Kaffee auf, laufe quer durch die Wohnung und sammle meine Ausrüstung ein. Raus aus den Laufklamotten und rein in die warme Kleidung für das Fotoshooting des Sonnenaufgangs am Trullo bei Flonheim. So langsam dämmert es nicht nur draußen, sondern auch meiner Frau, dass ich nicht joggen gehe. Zeit für einen Kaffee habe ich noch. Manuela meint aber irgendwann, ich müsste jetzt losfahren.
@fwhamm Im Prinzip musst du JETZT losfahren, sonst wird’s knapp…. und die Sonne ist da bevor du oben bist… @waltzingmeurers
Ich fahre bei Wörrstadt auf die Autobahn und nach dem Autobahnkreuz Alzey bei Erbes-Büdesheim wieder ab. Um Erbes-Büdesheim herum, dann fahre ich einen kleinen asphaltierten Seitenweg ab und halte. Hier müsste ich richtig sein. Auf Google Maps sah es irgendwie einfacher aus. Also doch das Smartphone rausholen. Ja, ich stehe hier auf einem Wirtschaftsweg, der zur Aulheimer Mühle führt. Bevor ich letztes Jahr mit dem Wandern anfing, wusste ich gar nicht, dass es hier in Rheinhessen fast an jedem noch so kleinen Bach ständig eine Mühle gibt. Ich fahre weiter, an der Mühle vorbei und dann rechts ein kleines Stück den Hang hoch, wo ich den Wagen parke. Ich schnappe mir den Rucksack mit der Ausrüstung und stürme hechelnd den Hang hinauf bis zum Trullo. Mit „The Photographer’s Epiphermis“ habe ich mir ausgerechnet, dass ich entweder von Nordosten aus den sonnenbeleuchteten Trullo aufnehmen kann oder links daneben … ja, da ist ein Rastplatz mit Bänken und Tischen. Von dort aus kann ich rechts am Trullo vorbei auf den Horizont schauen, wo sich der Himmel für ein paar Momente der Himmel wunderbar rötlich färbt.
Zwei Minuten vor dem rechnerischen Sonnenaufgang um 7:48 Uhr habe ich das Stativ mit der Sony RX100 IV aufgestellt und eingerichtet. Puh, das war knapp. Doch die Sonne ist noch nicht soweit. Die Hügel sind noch vor der Sonne. Es dauert also noch etwas, bis sich die Sonne die Hügel Rheinhessens hochgequält hat. Warum soll sie es auch einfacher haben als ich eben?
Das Morgenrot verzieht sich langsam. Ich packe die Thermoskanne aus dem Rucksack und schenke mir einen Becher Kaffee ein. Als ich die Thermoskanne abstelle, rutscht sie ein Stückchen, bevor sie stillsteht. Auf den Tischen ist eine dünne Schicht eisigen Raureifs. Stimmt, es ist ja Februar. Ich sinniere, ob ich im August irgendwo um 5 Uhr am Morgen bei 30 Grad stehen und auf den Sonnenaufgang warten werde.
Dann schiebt sich die Sonne über den Horizont.
Inhaltsverzeichnis
Der Trullo von Flonheim: Die Wiege der Sonne
Diesmal schaue ich nicht ins Tal, sondern auf den Horizont. Wie so oft in diesen kalten Tagen zieht sich die Feuchtigkeit aus dem Boden und zeigt sich in den Tälern und am Horizont als Bodennebel. Wie so oft in Rheinhessen gibt es auch hier Windräder. Als die Sonne höher steigt und sich vom Horizont löst, glaube ich irgendwie, dass sie wie ein Laser die Windräder durchschneidet und die Propeller wirbelnd auf die Erde fallen. Ständig muss ich irgendwie an „Die Wiege der Sonne“ mit Sean Connery und Wesley Snipes denken.
Aber irgendwie haben die Windräder Glück. Ich vermute die Ursache in dem steigenden Dunst, der das Licht abschwächt. Wenn ich genau richtig stehe, kann ich immerhin einen Lichtblitz durch eine Fensteröffnung des Trullos sehen.
Inzwischen ist es hell. Ich laufe ein bisschen um den Trullo herum und probiere verschiedene Perspektiven aus. Und schließlich gehe ich in den Trullo hinein. Wenn ich schon mal hier bin, dann will ich ihn auch von innen sehen. Es ist nicht viel Platz darin. Ein kleiner Absatz, so dass man sich setzen kann.
So ohne viel Bewegung wird mir inzwischen doch kalt. Als ich noch einen Schluck Kaffee trinke, fällt mir der eisige Raureif auf den Tischen wieder auf. Davon muss ich ein Foto haben.
Rundwanderung
Irgendwann nach neun Uhr kann ich mich losreißen. Ich packe meine Ausrüstung ein. Es ist aber doch zu schade, jetzt nach Hause zu fahren. Schon zuhause hatte ich mit dem Gedanken gespielt und mir mit der Outdooractive-App eine Wandertour auf mein Smartphone geladen. Ich entschließe mich, zum Auto hinunterzusteigen und zum Wanderparkplatz an der Geistermühle (Wikipedia) zu fahren. Dort startet die „Rheinhessen-Runde„, auf die ich schon sehr gespannt bin:
Der Weg verbindet zahlreiche Höhepunkte, die dieser Teil der Rheinhessischen Schweiz zu bieten hat: Historische Mühlen, über Wiesen dem Bach entlang, alte verlassene Steinbrüche, romantische Waldpfade, Weinberge, Kulturelles und Historisches, Aussichtstürme und –berge mit tollen Fernblicken und gegen Ende mit dem Aulheimer Tal ein botanisches Juwel mit mediterranem Flair.
Den Bericht von dieser Wanderung gibt es übermorgen, am Freitag, hier im Blog.
Interview mit Kultur- und Weinbotschafter Thomas Huckle
Nach dem Fotoshooting des Sonnenaufgangs beim Flonheimer Trullo und der anschließenden Wanderung habe ich noch Fragen über den Trullo und die Gegend. Außerdem habe ich bislang noch kein Wort darüber verloren, was eigentlich ein Trullo ist. Ich dachte mir, am besten frage ich einen einheimischen Experten. Thomas Huckle hat sich bereit erklärt, mich bei diesem Artikel zu unterstützen und ein paar Fragen zu beantworten.
Thomas Huckle ist 67 Jahre alt und in Erbes-Büdesheim geboren. Er war 45 Jahre in einer Ingelheimer Pharmafirma beschäftigt, wohnt seit 40 Jahren in Wendelsheim, ist 1. Beigeordneter im Ortsgemeinderat und 1. Beigeordneter im Verbandsgemeinde-Rat Wöllstein. Huckle wurde 2007 nach einer einjährigen Ausbildung Kultur-und Weinbotschafter Rheinhessen (KWB) und war von 2010 bis 2016 erster Vorsitzender. Der Verein hat aktuell 195 Mitglieder in ganz Rheinhessen. Die Hauptaufgabe des Vereines ist es, Einheimischen und Gästen die Schönheiten Rheinhessens zu zeigen. Bei vielen Führungen und Vorträgen (beispielsweise „Mittwochs-18-Uhr in Rheinhessen„) werden verborgene Schätze gehoben und dargestellt, immer verbunden mit dem Genuss eines Glases Wein.
Wer hat die Trulli in Rheinhessen gebaut, und welchen Zweck erfüllen oder erfüllten Sie?
Es gibt 2 Versionen:
- Apulische Maurer sind im 18. Jahrhundert in Rheinhessen unterwegs gewesen und haben den Baustil mitgebracht (siehe auch Alberobello, Italien). Das ist die Flonheimer Darstellung, deshalb auch die Bezeichnung Trullo (Einzahl), Mehrzahl Trulli.
- Die Bauweise ist historisch schon im Mittelalter für Backhäuser angewandt worden, es wird durch die sogenannte Kragbauweise (langsam zugespitzte Mauerung) kein Holz benötigt (für Backhäuser sehr wichtig!). Holz war schon immer in Rheinhessen sehr wenig vorhanden.
Der Zweck war einfach einen Unterstand bei Regen oder Gewitter zu haben, wenn man mit Pferd oder Ochsen im Weinberg gearbeitet hat. Die Weinbergshäuser allgemein waren immer für jeden frei zugänglich.
Was bedeutet die Aufschrift „J7HZ56“ auf dem Flonheimer Trullo?
Das Baujahr ist 1756 und der Bauherr ist ein Johannes (Hans) Zimmer aus Flonheim.
Auf der Homepage von Flonheim habe ich auf einer Karte 23 Weingüter gezählt. Ist es typisch für die Gemeinden in der Gegend, dass es so viele Weingüter gibt?
In allen überwiegend Weinbau betreibenden Gemeinden in Rheinhessen gibt es eine große Zahl an Haupt- und Nebenerwerbswinzern.
Welche Rebsorten werden hauptsächlich in der Gegend angebaut? Hat sich das in den letzten Jahrzehnten (beispielsweise durch neue Züchtungen, Trends oder Klimawandel) geändert?
Die Hauptrebsorten heute sind Riesling, Silvaner, Müller-Thurgau (Rivaner), Ruländer (Grauburgunder), Weißburgunder, Chardonnay, und rote Sorten wie Spätburgunder, Portugieser, Dornfelder. Früher wurden hauptsächlich Silvaner und Müller-Thurgau angepflanzt. Andere Sorten wurden zu spät reif.
In der Gegend um Flonheim gibt es stillgelegte Steinbrüche. Wie wichtig war der Sandstein für die Gegend, was wurde mit dem Sandstein gemacht?
Heute wirbt Flonheim mit „Stein und Wein“. Der Sandstein war eine Haupterwerbsquelle für Steinbrecher und Steinmetze. Es gab im 19. Jahrhundert über 20 Steinbrüche in der Gemarkung mit über 40 Steinmetzbetrieben. Aus diesem Grund wurde 1892 die Bahnstrecke von Armsheim nach Flonheim gebaut, damit der Transport wesentlich kostengünstiger als mit Pferd- oder Ochsenkarren war. Die vielen schönen Sandsteinhäuser in Rheinhessen sind meist aus diesem Stein, siehe auch die Flonheimer Kirchen, die Apotheke (Ernst-Ludwigstrasse) und die Häuser in der oberen Bahnhofstraße. Sogar im Turm des Berner Münsters ist Flonheimer Sandstein verbaut.
Es gibt hier nur wenige und kleine Waldflächen. Liegt das daran, dass die Römer die ganzen Wälder für ihre Befestigungen und Rheinschiffe abgeholzt haben?
Das Gebiet war schon immer sehr wasserreich und fruchtbar sowie waldarm. Schon seit der Jungsteinzeit ist bekannt, dass es hier sich gut leben lässt.
Bei meinen Wanderungen in Rheinhessen sehe ich immer wieder Mühlen so wie die Geistermühle oder die Aulheimer Mühle in der Nähe von Flonheim. Wieso gibt es hier so viele Mühlen?
Mühlen waren waren schon immer lebensnotwendig für die Bevölkerung und wurden auch durch die jeweils Herrschenden unterstützt, aber auch besteuert. An jedem Bach, die früher sehr viel mehr Wasser führten, waren -wo immer möglich- Mühlen angesiedelt. im Großraum Flonheim und Wendelsheim stehen 10 Mühlen.
Wieso enden so viele Gemeindenamen in Rheinhessen mit „heim“?
Die Endung stammt aus der fränkischen Zeit (ca. 6. bis 8/9. Jahrhundert) und benennt in der ursprünglichen Form das Heim des Ortschefs. Im Laufe der Jahrhunderte haben sich auch die Schreibweisen der Ortsnamen geändert.
Trullo in Flammen
Bei meinen Recherchen zum Flonheimer Trullo stieß ich auf die jährliche Veranstaltung „Trullo in Flammen„, die dieses Jahr am Am 22. April stattfindet. Vom Wanderparkplatz an der Geistermühle aus führt eine 7-km-Wanderung zum Trullo. An mehreren Stationen bieten die Flonheimer Winzer Wein und lokale Köstlichkeiten. Am Abend erstrahlt der Trullo in Flammen. Ein Promillebus holt Wanderer nachmittags an mehreren Ortschaften ab und fährt sie zum Parkplatz. Um 22 Uhr fährt der Promillebus die Route wieder zurück.
Den Termin habe ich in unserem Kalender schon einmal geblockt.
Danksagungen
Mein Dank gilt diesen Personen für ihre Unterstützung:
- Thomas Huckle, der sich die Zeit für das Interview nahm und mir Einsichten in die Gegend verschaffte.
- Waltzing Meurers und Kristin Heehler, die mir auf Twitter den Tipp mit dem Flonheimer Trullo gaben. Monika und Achim Meurer sind „auf der Waltz“ als Blogger, Fotografen und Inhaltslieferanten. Sie übernehmen Aufträge, bei denen Sie für Kunden eine Landschaft, eine Region, Ortschaften oder auch Restaurants fotografisch und textlich dokumentieren. Kristin Heehler ist die „Rheinhessenliebe“. Auf ihrem Blog schreibt sie über Rheinhessen, Genuss und Erlebnisse. Ende letzten Jahres kam ihr Café-Gutscheinführer Caféliebe heraus.
- @DieManuela, die mich in meiner Bloggerei seit 12 Jahren unterstützt und mich auch in meinem Fotoprojekt #12SunriseRheinhessen bestätigte.
Links
- Kleiner Rundgang durch… Flonheim (Rheinhessenliebe)
- Flonheimer Trullo (Rheinhessen.de)
- Trulli in Rheinhessen (SWR.de)
- Die Trulli – Weinbergshäuschen der besonderen Art in Monumente, Magazin für Denkmalkultur in Deutschland („Eine Anekdote behauptet, die Italiener hätten wegen ihres Heimwehs Trost im Alkohol gesucht und eine so hohe Zeche zu zahlen gehabt, dass ihr Geld nicht für größere Häuser reichte.„)
- Blogbeiträge über Trulli bei Georg Dahlhoff Fotografie
- Trullo (Wikipedia)
- Rebsorte (Wikipedia)