Am 7. August 2017 stehe ich kurz nach 6 Uhr wieder in den Weinbergen, um einen Sonnenaufgang zu fotografieren. Diesmal blicke ich auf die Kreuzkapelle am Wissberg bei Gau-Bickelheim, wo links dahinter die Sonne sich über den Hang schiebt. Doch fast genauso faszinierend empfinde ich den Blick auf den Bodennebel im Tal und in den fernen Hängen. Während ich noch im Schatten des Hanges stehe, schimmert im Tal bereits die Sonne hell in einer Hallenfassade.
An diesem Morgen ist es ziemlich einfach. Ich stehe kurz vor 5 Uhr auf, und kurz vor halb 6 Uhr fahre ich los. Bis zur Kreuzkapelle ist es nicht besonders weit, und angeblich kann ich laut Google Maps mit dem Auto direkt bis zur Kreuzkapelle fahren.
Kaum bin ich von Selzen losgefahren, da sehe ich bereits die Sonne bereits aufgehen. Moment! Wie kann das sein? Dann wird mir klar, dass ich unmittelbar über dem Horizont nicht die Sonne sehe, sondern den untergehenden Mond im Südwesten sehe. Fast Vollmond, und er scheint mich geradezu golden an. Er müsste in wenigen Minuten untergehen, so nahe ist er dem Horizont. Ich überlege kurz, ob ich für Fotos anhalte. Aber nach den Erfahrungen am Eicher See, wo ich ziemlich lange nach einem passenden Ort fürs Fotografieren suchen musste, fahre ich weiter.
In Gau-Bickelheim biege ich an der Kreuzung ab, überquere auf der Bahnhofstraße einen Bahnübergang, und dann geht rechts den Hang hinauf in die Weinberge am Wissberg. Der Wissberg ist einer der höchsten „Berge“ Rheinhessens (siehe: Rheinhessisches Tafel- und Hügelland: Erhebungen):
Der Wißberg ist eine 270,2 m ü. NHN hohe Erhebung im Rheinhessischen Hügelland. Sein Gipfel liegt im Gebiet der Ortsgemeinde St. Johann im rheinland-pfälzischen Landkreis Mainz-Bingen. Flankenteile unter anderem bei Gau-Bickelheim gehören zum Landkreis Alzey-Worms.
(Seite „Wißberg“. In: Wikipedia, Die freie Enzyklopädie. Bearbeitungsstand: 30. Juni 2015, 18:00 UTC. (Abgerufen: 30. August 2017, 16:18 UTC))
Direkt neben der Kreuzkapelle steht ein weiteres Auto, und so stelle ich mich direkt daneben. Es sitzt niemand drin, und nach den beschlagenen Scheiben zu urteilen steht der Wagen schon länger hier. Es ist frisch, zu frisch nur für das Wanderhemd. Also ziehe ich eine Windjacke über.
Als ich die Kreuzkapelle für meine Sonnenaufgangsfotos entdeckte, dachte ich zunächst, das sei eine alte ehrwürdige Kirche. Das mit dem „ehrwürdig“ mag wohl sein, doch die jetzt hier stehende Kirche wurde erst 1907 gebaut:
1755 Kreuzkapelle auf dem Wißberg wird erbaut Text
1794 Kreuzkapelle auf dem Wißberg wird zerstört Text
[…]
1857 Kreuzkapelle auf dem Wißberg wird wieder errichtet
[…]
1893 Kreuzkapelle auf dem Wißberg muß abgerissen werden
[…]
1907 Kreuzkapelle auf dem Wißberg wieder errichtet
(Chronik Gau-Weinheim seit 767)
2020 ist diese Kreuzkapelle 110 Jahre alt, und somit dürfte ein großes Fest fällig sein:
Die nun zwischen 1907 und 1910 errichtete Kapelle wurde in den siebziger Jahren des letzten Jahrhunderts von Grund auf restauriert. Den Weg zur Kreuzkapelle, die ein häufig besuchter Wallfahrtsort ist, säumen vierzehn Kreuzwegstationen, die im Jahre 1862 errichtet wurden. Ursprünglich waren es sieben Fußfallstationen, die von den Vorübergehenden verehrt wurden.
(regionalgeschichte.net: Die Kreuzkapelle in Gau-Bickelheim)
Links an der Kreuzkapelle gehe ich vorbei und folge einem Weg in die Weinberge. Dort, ein paar Meter weiter, müsste ich eine gute Sicht haben. Doch ich probiere noch, ob ich auf dem Parallelweg oberhalb einen besseren Sichtwinkel habe. Unter mir im Tal und an den Hängen gegenüber hat sich Nebel gebildet. Eigentlich ist es eine gute Stelle, doch der Hügel ist dann einfach zu hoch, und die Kapelle ist zu weit rechts.
Also gehe ich durch die Weinstöcke zurück zum unteren Weg und stelle das Stativ mit der Kamera auf. Gut, dass ich mir wieder Kaffee mitgenommen habe.
Der Himmel ist wolkenlos, ein tiefes Blau geht in einen glutroten Horizont über. Und auf der Erde ziehen langsam die Nebelschwaden. Am Himmel ziehen Flugzeuge ihre Kondensstreifen. Unten, im Tal neben Gau-Bickelheim, sieht ein Nebel aus, als ob sich eine Wolke verirrt hätte. Rechts von Gau-Bickelheim spiegelt sich bereits die Sonne in der Fassade einer Hallenanlage, während ich noch im Schatten stehe. Und in der Ferne, über Gau-Bickelheim, schaut der Donnersberg über den Horizont.
Es ist schon 20 Minuten nach 6 Uhr, als endlich an einer Stelle über dem Hang ein goldgelber Schimmer das glutrote Wabern verdrängt.
Inhaltsverzeichnis
Sonnenaufgang über der Kreuzkapelle am Wissberg
Dann dringt die Sonne mit ihren Strahlen über den Hanghorizont. Rechts von mir scheint sie auf die Weinstöcke, im Tal wirkt es, also ob sie den Nebel in gelbes Licht taucht.
Ich trete ein paar Schritte zurück, schaue über die Kamera ins Tal, und lasse die Sonnenstrahlen und das Licht auf mich wirken. Im Tal ist die Sonne bereits komplett angekommen, während das Licht am Hang hinter mir langsam nach oben fließt.
Ich lasse die Sonne und das Licht noch weiter auf mich wirken. Irgendwann packe ich meine Sachen ein und laufe zur Kapelle und zunächst an ihr vorbei. Ein alter Weg mit Kopfsteinpflaster führt mich ein Stück durch die Weinberge. Es ist ein fantastisches Licht, und die Nebelschwaden halten sich noch im Tal.
Schließlich gehe ich zurück zur Kapelle und auf ein Wiesenstück über ihr. Natürlich will ich auch prüfen, ob die Tür vielleicht offen ist. Doch wie von mir erwartet, ist sie verschlossen. Schade eigentlich, aber verständlich. Doch hätte ich gerne reingeschaut. Auf dem Vorplatz sind Sitzgelegenheiten und ein Tisch. Unterhalb der Kreuzkapelle nehme ich jetzt, da es hell ist, die Kreuzstationen wahr. An ihnen war ich heute morgen vorbeigefahren, ich hatte mich nach vorne auf die Kapelle konzentriert.
Dann setze ich mich in den Wagen und fahre die asphaltierte Straße weiter nach oben. Am Hügelrand ist ein Weinbergshäuschen des Weingut Pfennigs zu sein, es hat sogar so etwas wie eine kleine Terrasse mit einem sehr schönen Blick auf Kreuzkapelle und Tal. Auf deren Website sehe ich später, dass es dort ein Vatertagsgrillen gab. Die Öffnungszeiten am Weinbergshäuschen könnten sich jedoch auf die Gutsschänke beziehen. Wenn ich hier einkehren wollte, müsste ich wohl einmal anrufen…
Der Wissberg ist für die angrenzenden Gemeinden anscheinend so wichtig, dass sie eine Interessengemeinschaft Wissberg gegründet haben:
Mit dem Ziel, das touristische Potential des Wißberges auszubauen, haben sich die angrenzenden sieben Wißberg-Gemeinden Gau-Bickelheim, Gau-Weinheim, Sprendlingen, St.Johann, Vendersheim, Wallertheim und Wolfsheim, im Mai 2006 zu der „Interessengemeinschaft Wißberg“ (IG Wißberg) zusammengeschlossen.
Schließlich fahre ich die Straße am Hügelrand am Golfplatz des Golfclubs Rheinhessen entlang bis zum Hotel und dem Club. Anscheinend ist die ganze Bergkuppe des Wissbergs ein einziger großer Golfplatz. Ich schleiche mich hindurch und fahre auf der anderen Seite wieder hinunter zu einem Termin in einem der Nachbarortschaften.
Weitere Informationen
- Georg Dahlhoff Fotografie: Die Kreuzkapelle auf dem Wißberg (mit Fotos aus dem Inneren der Kapelle).
- Wein erleben im Wissberg (im Juli mit den Gau-Bickelheimer Winzer und Landfrauen)