Im Herbst ist es in Rheinhessen oft unkalkulierbar: Strahlender Sonnenschein und dicke Nebelsuppen buhlen um die Wette. Um so schöner ist es, wenn beides zusammen kommt. So wie über dem Selztal, Bechtolsheim und dem Petersberg.
Es ist Sonntag, der 1. Oktober. Gestern Abend waren wir auf einem Firmenjubiläum und einer Geburtstagsfeier gewesen. Es wurde nicht wirklich spät. Vielleicht fiel mir das Aufstehen heute Morgen deswegen nicht schwer. Vielleicht lag es auch daran, dass ich gleich sah, dass das Wetter vielversprechend war. Und vor allem: Ich brauchte nicht wirklich früh aufzustehen.
Ich schnappte mir meinen Rucksack inklusive meines Thermosbechers mit Kaffee und fuhr dann über Köngernheim und Undenheim auf die L436 in Richtung Südwesten. Am Rande ging es an Bechtolsheim vorbei. Zwischen Bechtolsheim und Biebelnheim wollte ich mir eine Stelle für den Sonnenaufgang suchen. Gerade mal eine knappe Viertelstunde war ich unterwegs gewesen, als ich hinter Bechtolsheim die L430 in Richtung Gabsheim und dem geographischen Mittelpunkt Rheinhessens abbog.
Inhaltsverzeichnis
Der Petersberg
Nach nur etwa 600 Metern parkte ich den Wagen auf der Anhöhe. Zunächst suchte ich in Richtung Bechtolsheim nach einer guten Position für den Sonnenaufgang, doch die Weinberge versperrten mir den Blick. Also versuchte ich es auf der anderen Seite der L430 in Richtung Biebelnheim. Beide Gemeinden sind irgendwie typisch für Rheinhessen: Weinbaugemeinden, um die 1.000 Einwohner (Biebelnheim ca. 650, Bechtolsheim ca. 1700 Einwohner), irgendwie mit kleiner oder großer Geschichte. Und sie liegen am Petersberg.
Der Petersberg in Rheinhessen zwischen Bechtolsheim und Gau-Odernheim im rheinland-pfälzischen Landkreis Alzey-Worms ist eine 245,6 m ü. NHN hohe Erhebung des Rheinhessischen Hügellandes. […]
Der Berg ist mit Wein bewachsen und gewährt von seinem Gipfel einen weiten Blick über das Rheinhessische Hügelland. Auf dem Gipfel steht die Ruine der St.-Peter-Kirche aus dem 10. Jahrhundert. Am Südfuß auf Gau-Odernheimer Gemarkungsseite befindet sich die größte Ansammlung von Wildtulpen nördlich der Alpen.
(Seite „Petersberg (Rheinhessen)“. In: Wikipedia, Die freie Enzyklopädie. Bearbeitungsstand: 30. März 2017, 18:06 UTC. (Abgerufen: 10. Oktober 2017, 12:14 UTC))
245 Meter sind wirklich nicht viel – doch damit gehört der Petersberg schon zu den höheren, wenn nicht den höchsten „Bergen“ in Rheinhessen. Der höchste Berg Rheinhessens ist mit immerhin 358 Metern der Kappelberg . Natürlich habe ich ihn schon bestiegen („Die Besteigung des Kappelbergs„). Auch auf dem Petersberg war ich schon öfters. Zuletzt war ich dort auf meiner Anwanderung zum 3. Bloggerwandern Rheinland-Pfalz. Auch gejoggt bin ich von Zuhause aus schon zu ihm hoch.
Da wir in Rheinhessen zwar so viele Hügel haben, die sich aber meistens ziemlich sanft über die Täler wölben, sticht der Petersberg durch seine Kegelform in der Gegend immer hervor. Fast von überall aus der Nähe ist er zu erblicken. Auf ihm befindet sich die schon um das Jahr 1000 entstandene Kirche St.-Peter. Doch ihre Bedeutung nahm im Laufe der Jahrhunderte ab, und während des Dreißigjährigen Krieges wurde sie zerstört. Von ihr blieb nur eine niedrige Ruine. Eine weitere Besonderheit gibt es am Petersberg: An der Südseite ist die größte Ansammlung von Wildtulpen nördlich der Alpen.
Warten auf die Sonne
Jetzt also stehe ich auf einem grasigen Feldweg oberhalb des Selztals (Anfahrt mit Google planen). Die Weinberge versperren mir den Blick auf Biebelnheim. Einige Häuserspitzen von Bechtolsheim kann ich da unten im Tal erblicken. Gau-Odernheim dagegen kann ich gut erblicken. Ein bisschen diesig ist es zwar, aber insbesondere die Simultankirche Gau-Odernheim kann ich sehr gut erkennen. Das Diesige entpuppt sich als Nebel, der sich im Selztal und an den Hängen noch etwas festgesetzt hat.
Ich habe wirklich Glück gehabt. Auch durch die Feuchte im Selztal setzt sich im Herbst der Nebel manchmal bis in die Mittagszeit fest. Mit etwas Glück kann ich dann aber bei einem #SunriseRun über den Nebel hinweg die Sonne sehen. Zwei Wochen später wird mir genau das passieren: Von der Selztstellung auf dem Selzer Berg aus werde ich einen genialen Sonnenaufgang erleben („Here comes the Sun – #SunriseRun auf die Selzstellung„).
Ich warte auf den Sonnenaufgang. Laut The Photographer’s Ephemeris soll um 07:27 Uhr die Sonne links vom Petersberg und über Bechtolsheim aufgehen. Um 7:23 Uhr kann ich bereits einen goldgelb-rötlichen Schimmer am Horizont erkennen. Natürlich, wieder einmal habe ich eine Wolkenschicht. Das ist halt so im Osten, dann da sind der Rhein und der Odenwald. Dort bilden sich schnell einmal bei klarem Wetter am Morgen die Wolken. Es ist recht kühl, so dass ich mir eine Softshell mit Kapuze übergezogen habe. Jetzt aber schnell einen Kaffee.
Das war klar. Auch nach halb acht Uhr sehe ich keine klare Sonnenscheibe sondern einen sehr hellen Fleck, der von Wolkenschichten durchschnitten wird. Im Gras und an den Blättern der Weinberge hat sich die Feuchtigkeit gefangen. Durch das Licht schimmern die Wassertropfen am Blätterwerk und an den Drähten. Wenn ich mich umdrehe, sehe ich im Westen den Donnersberg und rechts davon eine große Nebelbank. Kurz denke ich, dass ein UFO über mich hinwegschwebt und seine Triebwerke rauschen. Schon ist es über mich hinweg. Ich blicke nach oben und erkenne: Die Wildgänse fliegen.
Im Osten entblättert sich eine mystische Atmosphäre. Die Sonne gibt wohl nicht auf und durchbricht immer mehr die Wolken. Im Tal und auf den Hügelkämmen hinter Bechtolsheim und am Petersberg schimmert das Licht durch Nebeldecken. Rechts von mir, im Tal und hinter Gau-Odernheim, werden die Nebeldecken dichter und größer.
Sonnenaufgang über Bechtolsheim und dem Petersberg
Schnell blicke ich wieder gen Osten. Die Sonne strahlt und wirft ihr Licht durch die Blätter. Die Wasserperlen am Laub und den Drähten glitzern noch stärker. In Bechtolsheim scheint sich der Nebel zu halten.
Bei Gau-Odernheim dagegen ist so gut wie kein Nebel mehr. Nur dahinter und etwas an den Hängen ist der Nebel noch. Im Tal bei Bechtolsheim wird der Nebel stärker, die Sonne selbst wirkt jetzt nicht mehr wie ein Stern sondern wie ein helles Schimmern.
The Fog
Jetzt ist es schon acht Uhr, und die Sonne erhellt das Tal. Das Laub schimmert farbig in der Sonne. Vielleicht sind es die wärmende Sonne und der kühle Boden im Tal, die den Nebel anlocken. Bei Gau-Odernheim ist immer mehr Nebel. Dahinter schiebt sich über die Hänge und zwischen die Windräder eine immer größere Nebelwand.
Fast hätte ich nicht daran gedacht, wieder nach Osten und zum Petersberg zu schauen. Aus dem Tal hervor schiebt sich der Nebel auf den Berg und bedeckt ihn immer mehr.
Gau-Odernheim ist unter der Nebeldecke verschwunden. Über Gau-Odernheim lugen die Windräder aus der Nebeldecke hervor. Ich kann mich nicht so recht entscheiden, ob ich nach Osten zum Petersberg oder nach Süden nach Gau-Odernheim blicken soll. Nach Osten kann ich gerade so über die Weinberge auf den Nebel über und in Bechtolsheim schauen. Der Nebel hat das Tal im Griff.
Jetzt ist es schon Viertel nach acht, und es wird Zeit für mich. Schließlich habe ich Manuela versprochen, zum Frühstück Brötchen mitzubringen. Also laufe ich hinauf und an der L430 entlang zurück zum Wagen. Während der Nebel das Tal fest im Griff hat, scheint hier oben kräftig die Sonne. Aber wie das halt so ist, ich muss wieder ins Tal hinunter und damit in den Nebel.