Gestern, Sonntagmorgen, in Rheinhessen. Um 6:30 Uhr dröhnte der Wecker. Heimlich hatte ich ihn am Samstagabend gestellt und meine Laufklamotten bereitgelegt. Verschlafen fragte mich Manuela, was ich denn jetzt schon machen würde. Verschlafen meinte ich, ich würde wohl mal joggen gehen.
Die Wettervorhersage war eigentlich sehr gut für Selzen. Tja, wenn es nicht Herbst wäre. Und dann verspricht gutes Wetter nicht nur strahlenden Sonnenschein, sondern meistens auch hartnäckigen Nebel im Tal bis zu den Hügeln hinauf. Aber mal auf Verdacht aufstehen, das könnte ich mal probieren.
Ja, draußen waberte dichter Nebel. Doch für einen Augenblick schimmerte die Mondsichel über mir durch die Nebeldecke. Gegen 7 Uhr lief ich dann – auf Verdacht halt – los, durch Selzen, in Richtung Paulinenhof und dahinter rechts hoch in Richtung Selzer Berg. Für Selzen heißt er Selzer Berg, für Zornheim heißt er Zornheimer Berg. Als inzwischen fünfjähriger Selzer ist es für mich der Selzer Berg. Außerdem ist dort oben, an meiner Lieblingsstelle, seit kurzem der Informationspunkt „Selzstellung“ auf der Hiwweltour Zornheimer Berg.
Vor dem Ersten Weltkrieg entstand rund um Mainz ein gewaltiges Bollwerk, um angreifende französische Streitkräfte aufzuhalten. Der Plan war, sie ein Stückchen nach Deutschland hineinzulocken und sie an dem Festungsring, der von Ingelheim an der Selz entlang über Nieder-Olm bis an den Rhein südlich von Mainz aufzureiben. Leider hielt sich der kommandierende deutsche General im Ersten Weltkrieg nicht an den Plan. Er wollte sich nicht bis Mainz zurückziehen, sondern glorreiche Schlachten schlagen. Das tat er dann auch. Mit dem Erfolg, dass die Franzosen zu früh aufgehalten wurden. Glücklicherweise irgendwie, denn ansonsten hätte es wohl kein Schlachtfeld Verdun sondern ein Schlachtfeld Mainz gegeben.
Da oben, auf dem Selzer Berg, gibt es jetzt den Tourenpunkt, der an die Selzstellung erinnert. Von dem Bollwerk und seinen Festungen ist nichts mehr vorhanden, die Anlagen wurden nach dem Versailler Vertrag alle komplett geschleift. Wer dort oben, etwa auf der Hälfte der Hiwweltour Zornheimer Berg, ankommt, wird mit einem wunderschönen Panorama über das Selztal belohnt.
Ich bin oft dort oben. Und oft versuche ich, zum Sonnenaufgang dorthin zu joggen. Oft genug verdirbt mir jedoch das Wetter den Ausblick. Gestern kämpfte ich mich durch eine dicke Nebelsuppe nach oben. Ich hatte die Hoffnung auf einen schönen Sonnenaufgang bereits aufgegeben, doch dann konnte ich plötzlich die Mondsichel wieder sehen. Und die Windräder begannen sich aus dem Nebel zu schälen. Besser gesagt: Der Nebel senkte sich.
Ich drehte noch einen oder zwei Schlenker. Da traf ich dann auf eine vorbereitete Wander- oder Laufstation „Bremser“. Niemand war da, und ich hätte mich am Bremser aus dem Fässchen oder den Flaschen bedienen können. Doch der Federweißer hat nicht umsonst seinen Spitznamen: Zuviel Federweißer regt allzu sehr die Verdauung an und hinterlässt seine Spuren.
Gegen 7:30 Uhr traf ich an der Selzstellung ein. Etwa eine halbe Stunde verbrachte ich dann dort, denn tatsächlich verzog sich der Nebel ein Stück ins Tal, und ich konnte die Sonne bei ihrem Aufgang bestaunen. Irgendwann joggte ich weiter und wieder ins Tal zurück. Dort herrschte noch bis in die Mittagszeit die Nebelsuppe.
Die Fotos sind im Flickr-Album „Here comes the Sun„.
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