Der Langenbacher Graben, Rebschnitt in den Weinbergen und Männerfallen beobachtete ich am Selzbogen im März oberhalb von Selzen.
Der März ist üblicherweise ein „kahler“ Monat, in dem das Wetter aber schon schön sein kann. So war es auch für mich dieses Jahr. Absolut unüblich für mich machte ich eine Jogging-Runde nicht am Morgen sondern nachmittags. Es ging den Langenbacher Graben entlang und dann auf die Höhe, wo ich in den Weinbergen den erledigten Rebschnitt der Winzer beobachten konnte. Ohne das Blattwerk konnte ich auch sehr gut die Pheromon-Dispenser für die Verwirrmethode sehen.
Inhaltsverzeichnis
#12Selzbogen
Zwölf Monate am Selzbogen in Rheinhessen. Natur und Landschaft im Wandel der Jahreszeiten.
#12Selzbogen ist mein Fotoprojekt für das Jahr 2020. Doch es ist mehr als ein Fotoprojekt. Ich nehme meine Leser mit auf eine Reise am Selzbogen und erkunde und fotografiere bei Wanderungen und Läufen Natur und Landschaft.
Bei Hahnheim und Selzen bildet die Selz den Selzbogen: Von Köngernheim kommend biegt die Selz vor Hahnheim nach Osten ab, um dann in einem Bogen zwischen Hahnheim und Selzen ihren Lauf nach Westen am Hahnheimer Ortsteil Wahlheimer Hof vorbei bis zum Hahnheimer Bruch fortzusetzen. Dort ändert sie ihren Lauf in Richtung Norden und Nieder-Olm.
Für jeden Monat gibt es im Uhrzeigersinn einen Ausschnitt und Blogartikel von der Gegend des Selzbogens mit Fotos und Informationen über meine Heimat in Rheinhessen.
Aktuelle Karte mit Punkten meines Fotoprojekts:
Aufmunterung zur Kritik: Wenn Du einen Fehler entdeckst oder weitere Informationen hast, dann melde Dich bei mir, damit ich den Text anpasse!
Langenbacher Graben
Der Langenbach tritt irgendwo aus der Erde hervor, plätschert (wenn er überhaupt noch Wasser führt) hinunter, um vor Selzen unterirdisch zu verschwinden, zwischendrin wieder gelegentlich aufzutauchen und zu verschwinden, bis er schließlich in die Selz mündet. Der Langenbach ist ein unscheinbares … noch nicht einmal ein Bächelchen.
Der Langenbach: Der alte Selzer Dorfgraben damals und heute – fotografiert von der „Quelle“ bis zur Mündung.
[…]
Was den Langebach für Selzen so besonders macht ist, dass er Selzen im alten Ortskern mittig von Osten nach Westen durchfließt.
(Vom Löschteich zum Rinnsal – Der Selzer)
Früher bot der Langenbach die Frischwasserversorgung für Selzen, und lange Zeit vorher sogar schon für eine Villa Rustica zur Römerzeit. Früher, damals, war er noch nicht begradigt und auch noch länger. Er bildete einen Woog (einfacher Teich) oder sogar eine „“Weed“, eine Pferdeschwemme
Eine Pferdeschwemme war eine Stelle in einem Fluss, Bach oder Teich an der Pferde und andere Zugtiere nach der Arbeit ins Wasser geführt, gesäubert und getränkt werden konnten.
(Vom Löschteich zum Rinnsal – Der Selzer)
Er speiste sogar irgendwann einen Löschteich mitten im Dorf. Alles, wirklich alles über den Langenbacher Graben erfährst Du bei unserem „Lokalhistoriker“, dem Selzer. Außerdem hat er vom kompletten Verlauf des Langenbacher Grabens Fotos gemacht:
Siedlungen an der Selz – aber bitte keine Überschwemmung
Von mir noch eine paar Worte zur Rolle von solchen Selz-Zuflüssen. Warum spielten diese Bäche eine so große Rolle, wo man doch mit der Selz eine riesige Wasserquelle im Tal hatte?
Heutzutage ist Rheinhessen wie auch fast das gesamte Bundesgebiet eine Kulturlandschaft, in der Gewässer gebändigt wurden. Der Rhein beispielsweise wurde jahrzehntelang begradigt und teilweise umgeleitet, bis er seinen heutigen Verlauf hatte. Bei Mainz war er um ein Vielfaches breiter als heute. So steht dann auch der Holzturm als Teil der Stadbefestigung ein paar hundert Meter vom jetzigen Rheinufer entfernt.
So war es auch bei der Selz: Sie wurde im Laufe der Jahrhunderte immer mehr gebändigt und begradigt. Eine große Rolle spielten auch die vielen Mühlen im Tal, die ihr Wasser zum Betreiben des Mühlrads aus der Selz entnahmen. Nur selten wurden Mühlen direkt an der Selz gebaut. Zu oft und zu groß gab es Überschwemmungen, die die Mühle für Wochen unbrauchbar gemacht hätten. Also begradigte man die Selz, teilweise gabe es kleine künstliche Ableitungen bis zur Mühle.
Aus demselben Grund der häufigen und unkalkulierbaren Überschwemmungen wurden die Siedlungen im Selztal fast nie direkt an der Selz gegründet. Eine besondere Ausnahme bildet Stadecken, wo mit der Burg Stadeck sogar eine Wasserburg gegründet wurde. Aber schau dir Schwabenheim oder Großwinternheim an. Oder eben der alte Ortskern von Selzen. Die Siedlungen (meistens im 6. oder 7. Jahrhundert von Franken gegründet) waren kleine Siedlungen, zu Beginn meistens nur ein einzelner Hof. Die Siedlung wurde so gelegt, dass sie einerseits direkten Zugang zu Frischwasser in Form eines Bachzuflusses wie dem Langenbach hatte und dass sie einerseits den Überschwemmungen der Selz nicht ausgesetzt war.
Rebschnitt und Häckseln
Wer in Rheinhessen unterwegs ist, der sieht immer wieder dasselbe typische Bild in den Weinbergen. Die Rebstöcke sind in Reihen gepflanzt, die Triebe angeln sich übers Jahr durch von Stickel zu Stickel gespannte Drähte nach oben, und schließlich hängen das Blattwerk und die Reben zur Seite beziehungsweise nach unten. Doch diese „Spaliererziehung“ in Deutschland ist eines von verschiedenen Systemn der „Reberziehung“.
Unter Reberziehung versteht man im Weinbau alle Maßnahmen, die ein charakteristisches Stockgerüst aus dem alten Holz der Rebstöcke ergeben, wobei die Pflanzentfernung, das Unterstützungsgerüst (Stecken, Pfähle (Stickel), Spanndrähte u. a.) und der Schnitt des einjährigen Holzes (Schnittlänge, Anordnung, Formierung) mitentscheidend sind. Damit ergibt sich ein bestimmtes Erziehungssystem. Mit jährlichen Rebschnittmaßnahmen (Winterschnitt, Sommerschnitt – Laubarbeiten) …
(Seite „Reberziehung“. In: Wikipedia, Die freie Enzyklopädie. Bearbeitungsstand: 11. Juli 2019, 21:30 UTC. (Abgerufen: 22. April 2020, 09:43 UTC))
International gibt es für die Weinrebe (übrigens ein Zwitter, der sich selbst befruchtet) neben der dominierenden Spaliererziehung beispielsweise noch Baumerziehung, Stockkultur, Spaliererziehung, kriechende oder Busch-Erziehung.
Bei der Spaliererziehung werden üblicherweise im Winter von Januar bis März die Triebe bis auf einen oder zwei Triebe weggeschnitten. Die übriggebliebenen Triebe werden als Flachbogen (Strecker), Halbbogen, Pendelbogen oder V-Schnitt an den Draht gebogen. Bei uns sind es meistens Halb- oder Pendelbogen.
Ein großer Vorteil der Spaliererziehung ist die Nutzung der Mechanisierung. Der Winzer kann mit seinem Trecker oder Vollernter (meist gemietet) durch die Rebstockreihen fahren und ihn notwendige Arbeiten erledigen lassen.
Ganz früher war der Rebschnitt eine sehr körperintensive Tätigkeit. Jeder einzelne Schnitt bedeutete, die Rebschere mit der Hand ganz fest zuzudrücken, bis der verholzte Trieb durchschnitten war. Immerhin gab es schrittweise Erleichterungen:
Beim Rebschnitt haben kraftunterstützte elektrische und pneumatische Scheren zu einer erheblichen Arbeitserleichterung geführt und beugen wirkungsvoll Gelenküberlastungen vor. Viele Betriebsleiter mit chronischen Gelenkproblemen hatten vor allem durch die Elektroschere wieder die Möglichkeit, relativ unbeschwert und länger arbeiten zu können. […] Bei allen technischen Raffinessen konnte jedoch dadurch keine wesentliche Arbeitszeit- oder Kosteneinsparung erfolgen.
(Rebschnitt – Vitipendium vom Dienstleistungszentrum Ländlicher Raum (DLR) Rheinpfalz)
Im Winter habe ich oft beim Joggen durch die Weinberge das Surren der elektrischen Rebscheren gehört. Die Akkus aktueller Geräte halten inzwischen einen kompletten Arbeitstag. Doch bitte ein „Arbeitstag“ geht eben nicht von 9 bis 17 Uhr, sondern er dauert einige Stunden länger und beginnt auch schon mal vor Sonnenaufgang.
Minimalschnitt
Der Rebschnitt ist allerdings arbeitsintensiv. Deswegen und zur Schonung der Umwelt kommt immer öfter der Minimalschnitt (oder auch Keinschnitt) zur Anwendung.
Oswald Walg ist Lehrer und Berater für Weinbau mit dem Schwerpunkt Weinbautechnik beim DLR Rheinhessen-Nahe-Hunsrück, Standort Bad Kreuznach. „Vom Charme des Minimalschnitts im Spalier lassen sich immer mehr Praktiker beeindrucken“. Die Rebanlage wird belassen, wie sie ist. Ein Meter achtzig Zeilenbreite genügt. Rebschnitt, Biegen der Äste und Heften entfallen. Wichtig ist es, die Triebe zwischen den Heftdrahtrahmen gut zu befestigen. damit die oberen Trauben nicht auf die unteren drücken.
[…]
Hagel, Sonnenbrand, Frost, Wildverbiss und die Rebenkrankheit Esca können dem Minimalschnitt wenig anhaben. Wenn beim Normalschnitt 60 bis 70 Prozent der unteren Triebe erfrieren, ist das ein schmerzhafter Verlust. Beim Minimalschnitt im Spalier macht das weniger aus
(Minimalschnitt im Spalier – eine neue Form der Reberziehung)
Häckseln
Die abgeschnittenen Triebe werden zunächst zwischen den Rebstockreihen liegengelassen und dann später gehäckselt.
Das Rebholz wird mittig in der Zeile abgelegt und anschließend gehäckselt. Die von der Pilzkrankheit ESCA befallenen Rebstämme werden aus dem Boden gezogen, eingesammelt und müssen zur Eindämmung der weiteren Verbreitung dieser Krankheit verbrannt werden.
[…]
Der Schlepper fährt mit einem angehängten Häcksler über die Reben. Der Häcksler besteht aus einer Walze mit beweglichen Schlegeln und dreht sich mit 500 U/min in einem abgeschlossenen Hohlraum. Während der Überfahrt wird das Rebholz aufgenommen und zerkleinert.
(Aus dem Leben eines Winzers (15): Häckseln – mit vielen Fotos)
Verwirrmethode
Früher habe ich mich oft gewundert, was diese bräunlichen Kunststoffteile in den Weinbergen zu suchen haben. Ständig sah ich welche zwischen den Rebstöcken oder auch schon einmal am Wegesrand. Bis mich irgendwann ein Winzer bei einer Weinbergsrundfahrt aufklärte.
Die Dinger (üblicherweise von BASF) sind männerfeindlich! Mit Pheromonen werden männliche Traubenwickler verwirrt, damit sie nicht zu den Weibchen gelangen.
Verwirrmethode oder Paarungsstörung (auch Verwirrungsverfahren, Konfusionsverfahren oder Verwirrungstechnik genannt, engl.: mating disruption oder sexual confusion) ist eine Methode zur Bekämpfung von Schadinsekten in der Landwirtschaft ohne Nützlinge zu gefährden. Dabei nutzt man ein Verhalten einiger Insekten bei der Paarung. Die weiblichen Tiere verströmen Pheromone, um männliche Tiere anzulocken. Bringt man in ein Feld eine höhere Massenkonzentration von künstlich hergestellten Pheromonen aus, werden die männlichen Tiere orientierungslos und finden nicht mehr zum Weibchen. Dadurch wird die Vermehrung dieses Schädlings behindert.
[…]
In Deutschland wird diese Methode seit 1985 im Weinanbau zur Bekämpfung des Traubenwicklers eingesetzt.
Das Verfahren gilt als ökologisch, da durch den Einsatz der Pheromone die Menge an chemischen Insektiziden verringert werden kann. Positiver Nebeneffekt ist die Förderung der Populationsdynamik der Nützlinge.
(Seite „Verwirrmethode“. In: Wikipedia, Die freie Enzyklopädie. Bearbeitungsstand: 26. Februar 2020, 16:40 UTC. (Abgerufen: 22. April 2020, 10:28 UTC))