Mitte April wanderten wir zum Sonnenaufgang auf den Petersberg bei Gau-Odernheim. Mit 246 m gehört er zu den höchsten Erhebungen Rheinhessens. Um den Petersberg herum führt der Kulturweg Petersberg. Auf dem Petersberg befinden sich die Krypta-Überreste einer einstmals weithin bekannten Basilika. Nach der Sage der drei Schwestern sorgte eine von ihnen dafür, dass die Basilika zerstört wurde. Und im Südosten befindet sich ein einzigartiges Vorkommen seltener Wildtulpen.
Rheinhessen – das magische Land der tausend Hügel
Nach einer kurzen Fahrt stellten wir gegen 6 Uhr das Auto auf dem Parkplatz der Petershalle in Gau-Odernheim ab. Manuela hatte sich extra frei genommen und mir einen #SunriseHike und eine Brotzeit bei Sonnenaufgang auf dem Petersberg geschenkt. Wir wanderten die Tour »Wilde Tulpen« aus meinem Buch »Rheinhessen. Wanderungen für die Seele«. Da wir bei Sonnenaufgang auf dem Petersberg sein wollten, wanderten wir die Tour in umgekehrter Reihenfolge.
Bei Beginn der Wanderung war es durch die Dämmerung bereits recht hell geworden, und so war es auch ohne Wegezeichen, App oder Karte kein Problem, den Weg hinauf zum Berg-»Gipfel« zu finden. Für rheinhessische Verhältnisse sind die Hänge des Kegelberges allerdings recht steil.
Inhaltsverzeichnis
Der Kulturweg Petersberg
Der Kulturweg Petersberg umrundet den Berg und führt durch Weinberge, an der Selz entlang. Vier Wege unterschiedlicher Länge führen auf den Petersberg hinauf, um ihn herum und zurück. Startpunkt ist der Parkplatz an der Petersberghalle in Gau-Odernheim (Mühlstraße 32, siehe Google Maps).
Für mein Wanderbuch »Rheinhessen. Wanderungen für die Seele« habe ich aus seinen verschiedenen Varianten sowie einem Abstecher zu dem Wildtulpenvorkommen am Lieberg die etwa 9 km lange Tour »Wilde Tulpen« zusammengestellt.
Der Petersberg
Von seinen sagenhaften 246 m aus hat man einen sagenhaften Rundumblick, der bei guter Sicht beispielsweise bis zum Donnersberg, dem Großen Feldberg im Taunus, der Frankfurter Skyline, dem ZDF in Mainz-Lerchenberg reicht.
(Sonnenaufgang auf dem Petersberg – YouTube)
Im Selztal und an den unteren Hängen gibt es hauptsächlich Acker- und Feldwirtschaft. Doch je höher man den Petersberg hinaufgelangt, desto mehr prägen Weinberge seine Hänge.
Die Flora ist aufgrund des kalkhaltigen Lössboden sowie viel Sonne und wenig Niederschlag beste Voraussetzung für das Vorkommen seltener Pflanzen. Dazu zählen: die Zwerg-Kirsche (Prunus fruticosa), der Edel-Gamander (Teucrium chamaedrys), Bastard-Mohn (Papaver hybridum), Skabiosen-Flockenblume (Centaurea scabiosa) und Spargelerbse (Lotus maritimus).
Auch die Fauna mit wärmeliebenden Tierarten hat hier ihren Lebensraum, dazu zählen unter anderem: Zauneidechse (Lacerta agilis), Zweifarbige Beißschrecke (Metrioptera bicolor), Weiße Turmschnecke (Zebrina detrita) aber auch Feldhase (Lepus europaeus) und Reh (Capreolus capreolus) gehören dazu.
(Seite „Petersberg (Rheinhessen)“. In: Wikipedia, Die freie Enzyklopädie. Bearbeitungsstand: 4. Januar 2021, 17:33 UTC.)
Basilika St. Peter
Auf dem Petersberg sind die ausgegrabenen Überreste der Krypta einer dreischiffigen Basilika. Die Basilika war 26 m lang und 15 m breit, was für ihre Zeit durchaus imposant war .
Der Berg des glückseligen Petrus (Mons Beati Petri) ist weithin sichtbarer Bezugspunkt für den mittleren rheinhessischen Raum. Die Peterskirche aus dem 10. Jahrhundert war seit dem Mittelalter ein religiöser Mittelpunkt für die Christen vieler kleinerer Dörfer und Einzelgehöfte ohne eigene Kirche.
(Basilika mit Krypta – Kulturweg Petersberg)
Noch im 13. Jahrhundert wurden auf dem Petersberg Jahrmärkte veranstaltet, die dann aber nach Gau-Odernheim verlegt wurden. Im 16. Jahrhundert wurde die Basilika bereits im Zuge der Reformation geplündert. Im Dreißigjährigen Krieg schließlich wurde die Kirche zerstört, danach diente sie den Einwohnern der umliegenden Dörfer als Steinbruch. In den Koalitionskriegen (1792 – 1815, siehe Wikipediaeintrag Koalitionskriege) wurde die Basilika von den Franzosen konfisziert (siehe Regionalgeschichte.net: Basilika auf dem Petersberg), doch da dürfte bereits kaum noch etwas übriggeblieben gewesen sein.
Im 19. Jahrhundert gab es erste Ausgrabungen, dann wieder nach dem Zweiten Weltkrieg. Unter der Leitung der IG Petersberg soll die Stätte touristisch weiter erschlossen werden (Kulturweg Petersweg: Mons Beati Petri).
Die Sage von den drei Schwestern
Einst erbten drei Schwestern ein riesiges Vermögen in Münzen. Um den Reichtum aufzuteilen, benutzten sie das Scheffelmaß. Jeder der Schwester wollte mit einem Teil ihres Erbes eine Kirche auf einer Anhöhe bauen lassen, so dass jede Kirche von jeder anderen aus gesehen werden konnte.
Doch zwei der Schwestern betrogen ihre blinde Schwester. Jedes Mal, wenn deren Anteil gemessen wurde, drehten sie das hohle Maß um. Alle drei bauten schließlich eine Kirche: Auf dem Petersberg bei Gau-Odernheim, auf dem Nazarienberg bei Mommenheim und – die blinde betrogene Schwester – eine kleine Bergkirche in Udenheim.
Später jedoch bemerkte die blinde Schwester den Schwindel, und sie verfluchte ihre beiden Schwestern. Deren Kirchen wurden beide zerstört, doch die Bergkirche in Udenheim gibt es heute noch.
Brotzeit und Kaffee bei Sonnenaufgang
An der hinabführenden Treppe auf der südöstlichen Seite des Petersbergs gibt es eine Holzbank. Auf ihr ließen wir uns nieder, packten Thermoskanne und Brotdose aus. Ein leichter Dunst lag über der Hügellandschaft. Bei frühlingshafter Stimmung und trällernden Vögeln genossen wir eine Brotzeit mit Kaffee und Sonnenaufgang.
Zu den Wild-Tulpen am Lieberg bei Gau-Odernheim
Nach unserem Frühstück und dem Sonnenuntergang setzten wir unsere Wanderung fort. Nach einem kurzen steilen Abstieg stießen wir auf eine Schaukel, wo wir die morgendliche Frühlingsstimmung nochmals so richtig genießen konnten. Am Hang konnten wir ein paar Rehe erkennen.
Etwa 900 m südöstlich vom Petersberg liegt der Lieberg, eigentlich ein niedriger sanfter Hügel. Auf ihm und an seinen Hängen befindet sich das größte Vorkommen von Wildtulpen nördlich der Alpen. Genau deswegen haben wir diesmal wie auch im Buch den Schlenker gemacht, denn die Tulpen blühen nur etwa 2 bis 3 Wochen im April.
Die Wilde Tulpe (Tulipa sylvestris), auch Weinberg-Tulpe, seltener Wald-Tulpe genannt, ist eine Pflanzenart, die zur Familie der Liliengewächse (Liliaceae) gehört. Sie wurde zur Blume des Jahres 1983 gewählt. […]
Der Ursprung liegt in Südeuropa (Sizilien, Griechenland), Nordafrika (Algerien, Libyen; Marokko, Tunesien) und der Türkei.[…]
Tulipa sylvestris ist die einzige in Deutschland wild vorkommende Tulpenart. Meist blüht sie hier nur an besonnten Standorten. In den Weinbergen von Gau-Odernheim findet man die größte Ansammlung der Wilden Tulpe nördlich der Alpen.
[…]
Die Wilde Tulpe ist in Deutschland nach der Bundesartenschutzverordnung besonders geschützt und gilt gemäß der Roten Liste als stark gefährdet. Sie darf nicht ausgegraben oder gepflückt werden.
(Seite „Wilde Tulpe“. In: Wikipedia, Die freie Enzyklopädie. Bearbeitungsstand: 25. Februar 2021, 11:49 UTC.)
Die ganzen letzten Tage zuvor war es jedoch noch durchgehend kalt gewesen. Als wir am Lieberg eintrafen waren es nur wenig über dem Gefrierpunkt. So gab es fast keine blühenden Wild-Tulpen. Diese Woche dürften viele der Tulpen womöglich blühen. Bei unserer Wanderung jedoch fanden wir nur vielleicht ein Dutzend der Wildtulpen blühend vor.
Bitte achtet am Lieberg darauf, keine der seltenen Tulpen zu zertreten, grabt bitte keine davon aus!
Engelborner Brünnelchen
Rund 500 m nördlich des Petersbergs plätschert an einer Schutzhütte Wasser aus dem Hang. Hier ist das Engelborner Brünnelchen.
Schon seit Jahrhunderten ist die Quelle am Fuße des Petersberges bekannt, deren Wasser über den „Engelborner Graben“ zur Selz fließt. Generationen von Winzern konnten hier ihren Durst stillen oder auch an heißen Tagen ihre Getränke kühlen. Der Ursprung des Quellwassers ist wohl ein Reservoir unterhalb des naheliegenden Weinbergs. Die Quelle wird von versickertem Regenwasser gespeist. Quellen wie diese versorgten bereits zur Römerzeit die auf beiden Seiten der Selz gelegenen römischen Villen. Provinzialrömische Villen (villae rusticae) sind eigenständige ländliche Siedlungs- und Wirtschaftseinheiten, die unsere Region prägten.
(Das Engelborner Brünnelchen – Kulturweg Petersberg)
Direkt auf der anderen Seite des Weges liegt eine Schutzhütte der Gemeinde Bechtolsheim mit der Möglichkeit sich auf Bänken auszuruhen. Hier machten wir uns über den restlichen Kaffee her, bevor wir weiter bis kurz vor Bechtolsheim wanderten.
Wild-Tulpen am Wegesrand
Von Bechtolsheim führt der Kulturweg auf einem Wirtschaftsweg nach Gau-Odernheim zurück. Nur etwa 100 m nach Bechtolsheim machte mich Manuela darauf aufmerksam, dass hier ein paar Wild-Tulpen blühten. Windgeschützt an der Böschung schienen sie sich wohlzufühlen.
Brötchen, Granatsplitter und Nussecken
Zurück auf dem Parkplatz der Petersberghalle wechselten wir die Schuhe. Die Wanderschuhe säuberten wir grob, bevor wir sie im Kofferraum ablegten. Zum Abschluss nahmen wir uns in der Bäckerei Hottum noch Brötchen, Granatsplitter und Nussecken als Tagesproviant mit nach Hause.
Alle Fotos sind im Flickr-Album Petersberg und Wildtulpen.
Wandern in Rheinhessen
Fürs Wandern in Rheinhessen braucht es keine hohen Berge oder meilenweite Wälder. In Rheinhessen haben wir Hügel („Hiwwel“), Rüben und Reben, Geschichte und Kultur. Wandern, Kulinarik und Kultur lassen sich wunderbar miteinander verbinden.
In Rheinhessen gibt es zwar Berge zu erklimmen, aber der höchste Berg, der Kappelberg, ist noch keine 400 Meter hoch. Dafür haben wir viele Hügel und Täler, köstlichen Wein und viel Kultur. Das lässt sich beim Wandern wunderbar verbinden. Auf dieser Seite sammle ich Informationen zum Wandern in Rheinhessen. Mit dabei sind meine Wanderberichte und Routenlisten bei Outdooractive.
Weitere Wandertipps gibt es entweder auf der Startseite des Entspannenden oder auf der Themenseite „Wandern in Rheinhessen – Berichte, Wandertouren, Genuss und Einkehren„.