Das Vinocamp Rheinhessen 2022 fand in Ingelheim am Rhein mit Basis im Ingelheimer Winzerkeller vom 1. bis 3. April statt. Unter dem Motto „Wein und Natur: Nachhaltig geniessen“ trafen sich Weinbegeisterte, um an drei Tagen Wein zu genießen, sich auszutauschen und zu lernen. Manuela und ich hatten unter dem Motto „Don’t drink and drive“ ein Hotelzimmer in Ingelheim, sodass wir unbeschwert genießen konnten. Für mich war es nach Mainz, Flörsheim-Dalsheim und Stadecken-Elsheim in Ingelheim das vierte Vinocamp Rheinhessen. Auch dieses Vinocamp hat mich wieder begeistert.
Drei Tage lang Wein, geht das denn? Ja, das geht. Denn erstens muss Wein beim Kosten nicht getrunken (sprich: heruntergeschluckt) werden. Und zweitens gab es beim Vinocamp Rheinhessen viele Sessions rund um das Thema Wein wie beispielsweise um Pet Nat, Gemischten Satz, PIWIs, regenerative Engergien, Terroir, Nachhaltigkeit und Weinbewertungssysteme. Am Freitag lernten wir bei einer Planwagenfahrt drei Weingüter kennen, am Samstag gab es eine hochkarätige Podiumsdiskussion („Was bedeutet nachhaltiger Weinbau?“), ein Speed-Dating mit rheinhessischen Winzern sowie eine Wein-/Käseprobe. Nach weiteren Sessions am Sonntag bildete den Abschluss ein Besuch Wasems Kloster Engelthal.
Also ein vollgepacktes Programm für Genuss, Wissen und Austausch. Ein Ticket für das Wochenende kostete zwischen 25 und 50 Euro, enthalten waren jede Menge Wein, Mittagessen und Abendessen am Samstag, die Planwagenfahrt und die Wein-/Käseprobe. Organisiert hat das Vinocamp Rheinhessen wie jedes Jahr Marion Rockstroh-Kruft aus Zornheim.
Dabei waren sowohl „Mehrfachtäter“ wie ich und Manuela als auch Neulinge. Die Basis bildete der Ingelheimer Winzerkeller in seinem wunderschönen und restaurierten Steingebäude. Von Selzen aus sind es etwa 35 Minuten mit dem Auto nach Ingelheim, sodass wir auf ein Pendeln an den Veranstaltungstagen verzichteten. Stattdessen übernachteten wir im IBB Hotel Ingelheim. Am Freitag parkten wir den Wagen in der Nähe des Winzerkellers, gingen etwa 400 m zum Einchecken ins Hotel und dann zurück zum Winzerkeller.
Inhaltsverzeichnis
Freitag: Planwagenfahrt zu drei Ingelheimer Weingütern
Die meisten waren so wie wir bereits am Freitag dabei. Um 17 Uhr trafen wir uns im Ingelheimer Winzerkeller zur Begrüßung. Vom Winzerkeller aus führte uns eine Erkundungstour mit dem Planwagen zu insgesamt drei Ingelheimer Weingütern. „Natürlich“ hatten wir in allen Stationen Kostproben zum Genießen:
- Jan führte uns durch die Kelleranlage der Sektkellerei Singer & Fischer in Groß-Winternheim.
- Martin vom Weingut Hamm empfing uns. Ich bin übrigens nicht verwandt mit der Familie Hamm in Ingelheim.
- Jürgen Mett vom Weingut Mett & Weidenbach erzählte uns lebhaft und kurzweilig von seinem Weingut und Erlebnissen (beispielsweise von seiner Suche nach Holzweinfässern).
Zurück am Winzerkeller ließen wir den ersten Tag bei einem Abendessen im Winzerkeller Restaurant Ingelheim ausklingen.
Samstag: Sessions, Podiumsdiskussion, Speed-Dating, Wein-/Käseprobe
Nach dem Frühstück im IBB Hotel Ingelheim, zusammen mit einigen Teilnehmern, trafen wir uns alle uns ab 8 Uhr im Ingelheimer Winzerkeller. Zu meiner Überraschung waren mit Mirjam Bäßler, Cinderella Britzius und Marleen Ebling drei der vier rheinhessischen Weinprinzessinnen dabei. Die rheinhessische Weinkönigin Juliane Schäfer konnte aus Termingründen nicht, ich sollte sie jedoch bei der Weinwanderung von mir am Selzbogen am 24. April kennenlernen.
Sessions
Der offizielle Start war um 9 Uhr mit Begrüßung, Vorstellungsrunde und anschließender Sessionplanung. Podiumsdiskussion, Speed-Dating und Wein-/Käseprobe waren vorgeplant. Doch alle anderen Programmpunkte des Tages wurden von den Teilnehmern selbst für diesen Tag und auch den Sonntagmorgen vorgeschlagen. Marion nahm die Vorschläge auf, danach wurden die einzelnen Themen auf Uhrzeiten und Räumlichkeiten verteilt.
Die Sessions waren von 10:15 bis 12:40 Uhr, danach gab es einen Mittagsimbiss. Die Themen:
- Gemischter Satz
- Terroir
- Nachhaltigkeit
- PAR-Ausbildung und Verkostung
- PIWI
- Genießerorte
- Sponti & Unfiltriert
- Vermarktung PIWI
- Ist Wein zeitgemäß?
- Regenerative Energien
Nachfolgend noch ein paar Hinweise zu den benutzten Begriffen.
Gemischter Satz:
Der Gemischte Satz ist die Bezeichnung für den Anbau von Wein, der aus unterschiedlichen Rebsorten in einem Weingarten besteht, sowie dann des daraus hergestellten Weins.
Im Gegensatz zur Cuvée werden hier mehrere Rebsorten in einem Weingarten zusammen angebaut und nach der gemeinsamen Lese auch gemeinsam zu Traubenmost gekeltert und vergoren. Durch die unterschiedlichen Reifegrade und den unterschiedlichen Säuregrad der Rebsorten wollte man ursprünglich das Risiko minimieren und eine gleichbleibende Weinqualität sichern. Erwünschter Nebeneffekt ist eine deutlich erhöhte Vielschichtigkeit des Endproduktes.
Terroir:
Terroir (franz. terroir m. ‚Gegend‘, von lat. terra ‚Erde‘) ist ein ursprünglich aus Frankreich stammender Begriff aus dem Agrarbereich, von dem es keine eindeutige deutsche Übersetzung des dahinter stehenden Grundgedankens gibt. Je nach Interpretation beschreibt Terroir die naturgegebenen Faktoren (Standortfaktoren) eines bestimmten Stückes Land, welche die Eigenschaften der dort angebauten Kulturpflanzen beeinflussen. Diese werden bestimmt vom Zusammenspiel zwischen der kulturprägenden Tätigkeit des Menschen und den Bedingungen der Natur wie (Mikro-)Klima, Geologie, Gelände und Bodenbeschaffenheit. Der Begriff beurteilt somit weitgehend den Charakter, die Eigenheit und den Wert, der einem bestimmten Gebiet und seinen agrikulturellen Erzeugnissen zugeschrieben wird.
PAR ist ein System zur Bewertung von Wein:
Die Verkostung nach PAR gibt Winzern und Händlern Auskunft darüber, inwiefern ein Wein dem Geschmacksbild der Kunden in ihrem Zielmarkt entspricht. Zudem gibt sie Erzeugern die Chance, Stärken und Schwächen zu erkennen und ihr Produkt entsprechend zu verbessern. Der große Vorteil einer PAR-Verkostung gegenüber anderen Methoden ist ihre Nachvollziehbarkeit.
( PAR-System – PIWI International)
PIWI:
PIWI Rebsorten weisen eine hohe Widerstandsfähigkeit gegen Pilzkrankheiten auf und ermöglichen eine deutliche Reduzierung des Einsatzes von Pflanzenschutzmitteln. Daher sind diese robusten und innovativen Rebsorten eine naheliegende Ergänzung zu herkömmlichen, traditionellen Rebsorten mit intensivem Pflanzenschutz.
(Was sind PIWI-Weine – PIWI International)
Sponti (oder auch Weine mit Spontangärung):
Die Spontangärung ist ein Gärungstyp, bei dem die alkoholische Gärung durch natürlich im Weinberg und im Keller vorkommende Hefearten ohne den Zusatz von speziell gezüchteten Hefen erfolgt. Sie wird heute noch überwiegend von Stoffbesitzern bei der Erzeugung von Brennmaischen aus Obst benutzt. Auch bei der häuslichen Bereitung von Fruchtweinen ist dies ein gängiges Verfahren.
Weingüter, die Wert auf terroir legen, nutzen ebenfalls oft die Spontangärung als önologisches Verfahren und als Marketinginstrument zur Differenzierung.
Genießerorte für Wein in Rheinhessen
Wo lässt sich Wein in Rheinhessen am besten, schönsten, grandiosten, famosten, besinnlichsten, geselligsten, spektakulärsten (bitte um eine möglichst hohe Anzahl passender Adjektive erweitern) genießen?
Dieser Fragestellung gehe ich in meinem nächsten Buch nach. Welche Gelegenheit, hierfür Anregungen zu erhalten, wäre besser, schöner, grandioser, spektakulärer (bitte …), als ein Vinocamp Rheinhessen? Deswegen hielt ich eine Session, in der ich jede Menge Tipps und Hinweise erwartete – und bekam! Vielen Dank dafür an die Teilnehmer meiner Session! Und vielen Dank an Manuela fürs Protokollieren!
Orte in Rheinhessen zum Genießen von Wein können beispielsweise Vinotheken, Straußwirtschaften, Weinfeste sein, aber auch ein Bänkchen in den Weinbergen, ein Wingertshäuschen, eine Wandertour oder ähnliches. Falls Du also noch einen Tipp für mich hast: Her damit!
Podiumsdiskussion
Um 14 Uhr startete die Podiumsdiskussion zum Thema „Was bedeutet nachhaltiger Weinbau?“ mit
- Prof. Dr. Armin Gemmrich von dem Deutschen Institut für Nachhaltige Entwicklung e.V. an der Hochschule Heilbronn,
- Martin Darting von der Wine System AG,
- Lara vom Weincampus Neustadt und Studentin MBA Wine, Sustainability & Sales,
- Christina vom Weingut Wohlgemuth-Schnürr und
- Hanecke von der Bewegung Zukunftsweine.
Speed-Dating
Anschließend wurde es anstrengend: Speed-Dating! An zehn Stationen stellten rheinhessische Weingüter jeweils drei ihrer Weine vor. Doch ein einfaches Flanieren von Stand zu Stand wäre zu einfach gewesen. Beim traditionellen Speed-Dating auf dem Vinocamp Rheinhessen verteilen sich die Teilnehmer zunächst auf die Stände. Dann haben die jeweiligen Winzerinnen und Winzer maximal fünf Minuten Zeit, ihre drei Weine vorzustellen. Dann ließ Marion die Glocke erklingen, und die Teilnehmer rollierten zum nächsten Stand – bis alle zehn Weingüter „durch“ waren. 30 Weine sind schon eine Hausnummer, aber man kann (und ich musste auch) einfach Wein kosten und dann ausspucken.
Wein-/Käseprobe
Martin Darting hatte edlen Käse aus Frankreich mitgebracht und führte uns durch eine Käse-/Weinprobe mit verschiedenen Kombination.
Nach dem „Inhaltstag“ verbrachten wir den Abend gemeinsam im Winzerkeller.
Sonntag: Sessions, Wasems Kloster Engelthal
Als Sonnenaufgangsliebhaber und „SunriseRunner“ genoss ich beim Frühstück im vierten Stock den Ausblick von der Ballustrade zur aufgehenden Sonne.
Sessions
Danach trafen wir uns wieder im Winzerkeller für die nächsten Sessions ab 9:15 Uhr. Die Themen am Sonntag:
- Offene Weine verkosten
- Gemischter Satz
- PAR-Ausbildung
- Lebensgeschichte & Nachhaltigkeit
Es war eigentlich wie bei jedem Barcamp: Es gibt immer wieder Sessions, in die man unbedingt gehen möchte, die aber parallel laufen. Deswegen gab es manche Sessions vom Samstag erneut am Sonntag.
Bei der Verkostung der offenen Weine war auch der Naked Friday Pet Nat Rosé vom Weingut Freitag dabei. „Was ist eigentlich Pet Nat?“ (wein-abc):
Pet Nat ist die Abkürzung für Pétillant Naturel. Das heißt auf französisch „natürlich perlend“ und bezeichnet Schaumweine, deren Perlage (also die Kohlensäurebläschen) das Ergebnis einer Flaschengärung nach der sog. Méthode Rurale (auch Méthode Ancestral) ist. Pet Nat ist oft trüb, aber nicht immer. Er ist trocken, kann aber auch eine Restsüße aufweisen, die Aromatik kann fein und duftig sein – genausogut kann die Aromatik aber auch an oxidierten Apfel- oder Quittensaft erinnern. Pet Nat kann also vieles sein – und er darf das auch: es gibt hierzuland keine eindeutige Definition durch das Weingesetz, auch die Art und Weise der Produktion ist bislang nicht geregelt.
Wasems Kloster Engelthal
Ab 11:30 Uhr erwartete uns Philipp Wasem im Wasems Kloster Engelthal für eine Führung. Bei Restaurierung, Neubau und Ausbau des ehemaligen Klosters achtete die Familie Wasem auf Nachhaltigkeit, so erzeugen sie ihre Energie selbst.
Unterstützer und Sponsoren
Wieder unterstützen viele Gönner das Vinocamp:
- Rheinhessenwein e.V.
- BottleStops
- IKuM GmbH
- Ingelheimer Winzerkeller
- Peter Eckes Stiftung
- Staatl. Fachingen
- wein.plus
- WINE-System
- Viele Winzer/Weingüter mit ihrer Teilnahme und/oder dem Sponsoring von Wein
Weitere Berichte
Weitere Berichte über das Vinocamp Rheinhessen 2022.
- StadtLandWein: Update zum 4. Vinocamp Rheinhessen: „Auf der Spur des nachhaltigen Genusses“
- Die Weinlöwin: Werden wir in 25 Jahren noch Wein trinken können?
Alle Fotos
Alle Fotos sind auf Flickr im Album „Vinocamp Rheinhessen 2022„.
Was ist ein Barcamp?
Im Gegensatz zu traditionellen Veranstaltungen oder Konferenzen stehen die einzelnen Programmpunkte wie Vorträge, Präsentationen, Workshops oder Diskussionen nicht vorher fest. Zu Beginn jeden Veranstaltungstages stellen Teilnehmer mögliche Themen vor. Für die einzelnen Themen werden Räume und Zeiten zugeordnet, daraus ergeben sich die “Sessions”. Dabei muss weder ein Inhalt vorgeplant sein (das kann ganz spontan geschehen), noch muss aktiv Wissen vermittelt werden. So möchte manchmal ein Teilnehmer etwas über ein bestimmtes Thema wissen oder eine Einführung erhalten (“Ich wüsste gerne, was PIWIs sind? Könntet Ihr mir das erklären?”).
Bevor ich 2007 das erste Mal an einem Barcamp teilnahm (Barcamp Frankfurt), dachte ich “Das kann doch nie funktionieren!”. Doch das tut es! Weiterhin begegnen wir uns alle auf Augenhöhe, egal ob Vorstand, Auszubildender, Arbeiter, Angestellter.
Weitere Infos zu Barcamps gibt es bei Wikipedia oder hier im Blog (“BarCamp-Regeln – The Rules of BarCamp“).