Auf dem Siefersheimer Horn im Westen Rheinhessens erstreckt sich eine wunderbare Heidelandschaft, die im August in voller Blüte steht. Auch außerhalb der Blütezeit ist die Hiwweltour Heideblick eine lohnende Wanderung durch Heidelandschaft, Weinberge und Naturschutzgebiete zwischen Neu-Bamberg und Siefersheim.
Im Juni wanderten Manuela und ich die Hiwweltour Heideblick und entschieden uns für den Tour-Einstieg am Wanderparkplatz im Junkerweg in Neu-Bamberg. Zwar gibt es auch einen Wanderparkplatz in Siefersheim, doch der Zuweg führt dort etwa 1 Kilometer zunächst durch die Ortschaft und dann zum Startpunkt. Vom Wanderparkplatz im Junkerweg sind es hingegen nur rund 100 Meter bis zur Hiwweltour. Außerdem wanderten wir die Tour im Uhrzeigersinn, was uns den großen Anstieg gleich zu Beginn verschaffte.
Inhaltsverzeichnis
Hiwweltour Heideblick
Die Hiwweltour (Hiwwel = rheinhessisch für Hügel) liegt im Westen von Rheinhessen, etwa 30 km südwestlich von Mainz. Ihre Besonderheiten sind die für Rheinhessen ungewohnten Heideflächen, wunderbare Panoramablicke und ihre „Küstenlage“ am Rand des ehemaligen Mainzer Beckens (eine Meeresbucht vor 30 Millionen Jahren). An der ehemaligen Küste finden sich auch heute noch Muscheln, ungewohnte Sand- und Felsformationen sowie das ein oder andere Seekuhgerippe.
Die Rundtour ist etwa 10 km lang und hat etwa 190 Höhenmeter. Je nach Kondition und Pausen braucht man zum Wandern etwa 3 bis 4 Stunden.
Eisenbahnbrücke über den Appelbach
Zunächst überquerten wir den Appelbach auf einer ehemaligen Eisenbahnbrücke und folgten dann der früheren Bahntrasse der Strecke Sprendlingen–Fürfeld. Damals transportierten Dampfloks Wein und Rüben sowie roten Sandstein aus Steinbrüchen. Da wir parallel des Appelbachs leicht oberhalb im Schatten der Bäume gingen, wurden wir immer wieder von Libellen umschwirrt.
Schließlich schimmerte aus dem Tal ein Gewässer hoch. Tatsächlich war es der Anglerweiher des ASV Ruhig Blut Wallertheim. Ein kurzer, nur ein paar Dutzend Meter weiter Abstecher belohnte uns mit einer idyllischen Teichlandschaft.
Die kleine Hexe
Kurz darauf bestaunten wir eine Skulptur der kleinen Hexe aus dem Kinderbuch von Otfried Preußler. Die Skulptur wurde 2008 von Stefanie Neumann gestaltet, von der Theatergruppe Wöllstein gestiftet und ist Teil des Wöllsteiner Märchenwegs.
Adlerdenkmal
Die Hiwweltour biegt hier auf einem kleinen Waldweg nach oben hin ab. Nachdem wir ein Reh zwischen den Bäumen aufgeschreckt hatten, und es uns aus großen Augen angesehen hatte, setzten wir unseren Weg fort und gelangten direkt neben dem Adlerdenkmal auf die halboffene Lichtung. So wie der Adler auf dem Denkmal genossen wir den weiten Blick über das Hügelland. Das Adlerdenkmal wurde zu Ehren im Ersten Weltkrieg Gefallener aus Feldsteinen errichtet. Bereits hier gab es einige Bänke sowie einen Tisch des Weines, von denen aus der Blick über die Landschaft schweift.
Heidehügel
Schließlich, nach den ersten Weinbergen, stießen wir auf eine für Rheinhessen ungewohnte Welt. Eine Heidelandschaft mit Trockenrasen und Pflanzen wie Küchenschellen und Felsenbirnen breitete sich vor uns aus. Eidechse huschten zwischen Steinen und Heidekraut umher, es war schließlich recht warm.
Winzeralm
Nach einigen Metern durchbricht der Weg eine Buschreihe, und schon war das Ende der Durststrecke erreicht. Ein fantastischer Panoramablick über die umliegende rheinhessische Landschaft dient als Kulisse für die Winzeralm des Weinguts Zimmermann aus Siefersheim. Sogar bis zum Taunus reicht der Blick. Wir machten es uns auf den Bänken bequem, nicht ohne uns Wein und Vesper von Winzer Jörg Zimmermann zu holen. An diesem Tag war gar nicht viel los, so kamen wir miteinander ins Quatschen, und er gestand uns, dass er die Zeit jetzt auch ohne viel Betrieb hier oben genoss. Relaxed wie er war, machte er noch Fotos von uns.
Die Stelle mit dem Panoramablick und der Winzeralm hat 2016 wohlverdient die Publikumswahl für die schönste Weinsicht Rheinhessens errungen. Die Publikumswahl wird alle vier Jahre vom Deutschen Weininstitut in allen 13 Weinbaugebieten Deutschlands durchgeführt.
„Biggsestick“
Weiter ging es auf dem Hügel zwischen den Weinbergen und an Hängen, wo die ersten Weinbergshäuschen („Wingertshäuschen“) zur Rast einluden.
Die nächste Einkehrmöglichkeit, der „Biggsestick“ (oder heißt es „die“ oder „das“?), war an diesem Tag allerdings nicht besetzt. Der Namen entspringt dem Flurnamen Büchsenstück. Sogar für einen Fahrradständer ist gesorgt, denn am Rand liegt ein Baumstamm mit Einkerbungen für die Reifen.
Ahoi Meer!
Beim Abstieg hätten wir die Stelle fast verpasst: Eine Tafel informiert über die Felsen am Hang. Bei der „Kliffstufe“ handelt es sich um eine Brandungszone des Meeres, das hier vor 30 Millionen Jahren Wellen an die Insel schickte. Später, am Zuweg von Siefersheim, lohnt sich ein Abstecher zur alten Sandgrube, wo man mit etwas Glück noch Muscheln finden kann.
Wonsheimer Höll und entlang des Hangs
Die Hügellandschaft machte sich wieder bemerkbar, als es steil bergauf zur Wonsheimer Höll ging, von wo aus der Blick über Wonsheim, Eckelsheim, Stein-Bockenheim und Wendelsheim reicht. Dazu muss man allerdings links der Büsche an die Hangkante gehen. Auf dem Weg nach unten machten wir dann eine Pause am Rastplatz Wonsheimer Hölle.
Trockenmauern
Kurz darauf führte die Hiwweltour dann am Fuß der Hänge entlang des Siefersheimer Horns. Vorbei ging es an zahlreichen Trockenmauern, die die Winzer über Jahrhunderte errichtet haben. Irgendwo sahen wir einen Jahresstein mit der Zahl „1843“. Trockenmauern heißen übrigens so, weil sie ohne Mörtel aufgeschichtet wurden.
Ajaxturm
1865 soll ein Winzer den Rundturm erbaut haben, um damit anzugeben. Leider gibt es keine Möglichkeit, im Innern bis nach oben zu steigen. Der Blick von den Zinnen gerade an diesem sonnigen Tag wäre famos gewesen. Seinen Namen soll der runde Ajax-Turm dem steinernen Hund oben zwischen den Zinnen verdanken.
Die Siefersheimer Website liefert eine ausführliche Begründung und nennt den Hund »Tiras«.
Zu Beginn des 19. Jahrhunderts lebte in Siefersheim ein reicher Bauernsohn, schön von Gestalt und ein flotter Tänzer. Wenn er durch die Straßen schritt, folgte ihm so mancher scheuer Mädchenblick. Auch die Tochter des Müllers von der „Katzensteiger“ Mühle war in ihn verliebt. Die Zuneigung des Mädchens fand Erwiderung. Doch der starrköpfige Müller war gegen eine Verbindung. Er hatte vor Jahren einmal einen Prozeß gegen den Vater des jungen Mannes verloren. Die Tochter wurde deshalb mit einem Weinhändler verheiratet und starb bald an Herzeleid. Der junge Mann aber blieb unverheiratet. An der Stelle, wo er sich mit seiner Liebsten einst getroffen hatte, ließ er einen Turm bauen. Der Hund im späterem Wappen erinnert an den treuen „Tiras“, der das Liebespaar auf seinen Spaziergängen begleitete. Er ist das Sinnbild der Treue bis in den Tod.
Burg Neu Baumburg
Über Neu-Bamberg steht eine der wenigen Burgen Rheinhessens. Wobei es „stand“ heißen muss, denn seit über 350 Jahren ist es nur noch eine Ruine. Die Kurpfälzer zerstörten die Burg bei Streitigkeiten mit Kurzmainz.
Die Burg wurde auf einer natürlichen Anhöhe über dem heutigen Dorf errichtet und ist deswegen dem Typus der Höhenburg zuzurechnen. Die heute noch vorhandenen Ruinen der Burg bestehen aus einem unregelmäßig-fünfeckigen bis polygonalen Grundriss und umfassen die Kernburg im Nordwesten sowie die tieferliegende Vorburg auf der Westseite. Erhalten sind in erster Linie Mauerreste, in der Öffnung der nördlichen Längswand findet sich ein Teil eines spätgotischen Spitzbogenfensters. Östlich der Kernanlage steht die katholische Kirche St. Dionysius, die teilweise auf die mittelalterliche Burgkapelle zurückgeht.
(Burgruine in Neu-Bamberg – Regionalgeschichte.net)
Schließlich führte uns der schattige Weg weiter bis in ein Waldstück, wo es einen Pfad hinunter zur Brücke über den Appelbach und zum Ausgangspunkt ging.
Einkehren
Nach der inspirierenden Wanderung fuhren wir nur etwa 350 m die Wöllsteiner Straße bis zur Junkermühle am Ortsausgang von Neu-Bamberg. Eine weitere Möglichkeit zur Einkehr in Neu-Bamberg ist das Appelbach-Lokal. An Wochenenden bieten sich noch der Weingarten im Weingut Gebert und der Hofausschank vom Weingut Zimmermann (genau, von der Winzeralm) an.
P.S. Wir können nicht anders, es ist unsere Natur.
Oder doch Vinomat?
Manchmal hat man keine Lust mehr zur Einkehr, oder es hat halt keine Möglichkeit geöffnet. Dann lässt sich rheinhessischer Wein aus einem der Vinomaten von Winzern in Siefersheims und Neu-Bamberg mit nach Hause nehmen. Dann ganz gemütlich vors Kaminfeuer oder auf die Terrasse setzen und den Tag Revue passieren lassen.
- Vinomat am Weingut Sommer, Mühlweg 19, Siefersheim
- Vinomat am Weingut Philipp Schnabel, Am St. Martinshof 1, Siefersheim
- Vinomat am Weingut Hesselborner Mühle, Wasserpforte 17, Neu-Bamberg
Alle Fotos gibt es im Album „Hiwweltour Heideblick„.