Wer so wie ich beispielsweise als Wanderer gerne in Kirchen geht, steht normalerweise vor verschlossenen Türen. Denn die meisten Kirchen sind außer zu Gottesdiensten oder anderen Veranstaltungen verschlossen. Die Initiative „Offene Kirche“ der Evangelischen Kirche in Hessen und Nassau (EKHN) möchte dies ändern – auch in Rheinhessen.
Ich gehe gerne in Kirchen, auch wenn ich keiner christlichen Glaubensgemeinschaft angehöre. Kirchen sind Zeugen und Artefakte der geschichtlichen Entwicklung von Ortschaften, Regionen sowie Ländern und erklären Zusammenhänge und warum etwas so gekommen ist, wie es ist. Es gibt sie von schlicht bis überbordend, in klein und in groß, mit oder ohne Friedhof. Leider jedoch stehe ich meistens vor verschlossenen Türen. Der E-Mail eines Lesers entnahm ich, dass es mir nicht alleine so mit den verschlossenen Kirchen ergeht.
Vermutlich dürfte es die Befürchtung sein, dass es zu Vandalismus kommt, weswegen die Kirchen geschlossen sind. Bei den üblichen Gemeindegrößen gibt es kaum eine Möglichkeit, jemanden für Betreuung und Bewachung der geöffneten Kirche vorzuhalten. Erschwerend kommt hinzu, dass sich heutzutage eine Kirchengemeinde auf dem Land meistens über mehrere, teilweise mehr als zehn Ortsgemeinden erstreckt.
In meinem Wohnort Selzen (etwa 1500 Einwohner) gibt es eine evangelische Kirche und eine katholische Kirche. Die evangelische Kirche (etwa 100 m Luftlinie von unserer Wohnung) ist normalerweise geschlossen. Die katholische Kirche Selzen war ebenfalls normalerweise geschlossen. Doch seit der ersten Corona-Welle ist sie täglich von 9 bis 18 Uhr geöffnet. Von meinem Bürofenster aus blicke ich direkt auf die Tür und sehe gelegentlich jemanden hineingehen.
Doch auch ohne Corona gibt es Hoffnung für Wanderer, Radfahrer und Besucher.
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„Offene Kirchen“ bei meinen Wanderungen
Gelange ich auf einer meiner Wanderungen zu einer Kirche, probiere ich immer, ob die Tür offen ist. Gelegentlich (okay, selten) ist das tatsächlich der Fall. Vor längerem fiel mir an der evangelische Kirche Guntersblum (eine „Heidenturmkirche“) ein Hinweis auf, dass dies eine „Offene Kirche“ sei. Klar, dachte ich mir, sie ist offen. Mehr dachte ich mir nicht dabei. Doch dann kam ich zur evangelischen Jakobuskirche in Framersheim.
Die Jakobuskirche ist ganzjährig ab etwa 8 Uhr bis zum Abend geöffnet und für Besuchende frei zugängig. Sie sind herzlich eingeladen, eine Kerze zu entzünden und etwas in das ausliegende Gästebuch zu schreiben – ein Gebet, einen Gruß…
Evangelische Kirche in Hessen und Nassau
Dieses Mal ging ich der Bezeichnung „Offene Kirche“ nach und stieß dabei auf die Evangelische Kirche in Hessen und Nassau (EKHN).
Die Evangelische Kirche in Hessen und Nassau (EKHN) mit Sitz in Darmstadt ist eine von 20 Gliedkirchen (Landeskirchen) der Evangelischen Kirche in Deutschland (EKD) und Mitglied der Konferenz der Kirchen am Rhein. [..]
Das Gebiet der Evangelischen Kirche in Hessen und Nassau umfasst im Wesentlichen den südlichen Teil des heutigen Landes Hessen, die ehemaligen Regierungsbezirke Rheinhessen und Montabaur des Landes Rheinland-Pfalz sowie einige Gemeinden in Nordrhein-Westfalen. Es deckt sich mit den Territorien des Volksstaates Hessen (bis 1918 Großherzogtum Hessen) sowie des Regierungsbezirkes Wiesbaden der preußischen Provinz Hessen-Nassau, der 1867 aus dem ehemaligen Herzogtum Nassau (Hauptstadt Wiesbaden), der ehemaligen Freien Stadt Frankfurt am Main und der Landgrafschaft Hessen-Homburg gebildet worden war.
(Seite „Evangelische Kirche in Hessen und Nassau“. In: Wikipedia, Die freie Enzyklopädie. Bearbeitungsstand: 21. November 2020, 08:09 UTC.)
Rheinhessen in Hessen?
Nur kurz stolperte ich über „Hessen“, doch als Kultur- und Weinbotschafter Rheinhessen war mir schnell klar, warum evangelische Kirchen in Rheinhessen zur EKHN gehören. Denn die Bezeichnung „Rheinhessen“ entstand, nachdem der geschlagene Napoleon seine Eroberungen zurückgeben musste und diese auf dem Wiener Kongress verteilt wurden. Ein Teil des französischen „Département du Mont-Tonnerre“ (Donnersberg) wurde Ludwig I. von Hessen-Darmstadt, bis dahin Großherzog von Hessen, zugeschlagen. Ab da war er Großherzog von Hessen und bei Rhein. Denn dieser ehemalige Teil des französischen Départements lag auf der anderen Rheinseite und gehörte ab da über hundert Jahre zu Hessen.
Offene Kirche der EKHN
„Offene Kirche“ ist eine Initiative der Evangelischen Kirche in Hessen und Nassau und erstreckt sich aus diesen historischen Gründen auch auf Rheinhessen.
Als steinerne Zeugen vermitteln Kirchen etwas von der Atmosphäre aus der Zeit ihrer Erbauung und sie eröffnen Zugänge zum christlichen Glauben. Gerade in einer fremden Stadt laden sie zur Besichtigung ein. Als „Ruheräume für die Seele“ bieten Kirchen auch Momente der Stille und Erholung. Deshalb sorgen viele evangelische Kirchengemeinden in Hessen Nassau dafür, dass rund 180 Kirchen zu bestimmten Zeiten geöffnet sind. Kunstvolle Ornamente, christliche Symboliken und die leuchtenden Farben der Kirchenfenster sind in einigen Sakralbauten zu entdecken. In manchen Kirchen liegen auch Fürbitten-Bücher aus.
(Offene Kirchen in Hessen und Nassau)
Beim Zentrum Verkündigung EKHN gibt es weitere Informationen über Offene Kirchen
Kirchen offen zu halten ist einfach und anspruchsvoll zugleich. Einfach ist es, weil die Kirchengebäude in der Regel vorhanden sind und als Glaubenszeugnis zugänglich sind, in ihrer Gestaltung vom christlichen Glauben erzählen und mit einer offenen Tür eine einladende Geste verbunden ist, die allen Vorüberkommenden signalisiert: Hier bist du willkommen!
(Zentrum Verkündigung EHKH: Offene Kirche)
Das Zentrum Verkündigung der EKHN führt eine Liste der Offenen Kirchen nach Postleitzahlen (PDF), in der außer der evangelischen Kirche Guntersblum und der evangelischen Jakobuskirche beispielsweise die Burgkirche Ingelheim und die evangelische Bonifatiuskirche Dienheim eingetragen sind.
Radwegekirchen in Deutschland und der Schweiz
Nicht nur für Radfahrer gibt es eine weitere Quelle für geöffnete Kirchen. Das Netzwerk „Kirche in Freizeit und Tourismus“ der Evangelische Kirchen in Deutschland bietet Informationen, Kontaktadressen und Kartenmaterial für Radwegekirchen an.
Eine Radwegekirche ist im Zeitraum von Ostern bis zum Reformationstag frei zugänglich. Vielerorts wird diese Regelung weiter gefasst und gilt auch für das Winterhalbjahr.
Kriterien, die bei einer Radwegekirche gegeben sein müssen
- Die Kirche liegt in unmittelbarer Nähe zu einem Radwanderweg.
- Die Kirche ist in der Zeit von Ostern bis zum Reformationstag (Allerheiligen) tagsüber frei zugänglich.
- Die Kirche ist durch Hinweisschilder auf dem Radweg und an der Kirche als Radwegekirche gekennzeichnet (siehe unter 2. Signet).
- Der Kirchenraum ist als geistlicher Raum gestaltet.