Bereits beim Seminarwochenende „Das gerechte Maß“ im Kloster Jakobsberg fühlte ich mich an meine Suche nach Ausgewogenheit erinnert. Heute verrate ich, welche Regeln und Rituale ich bislang gefunden habe.
Den Bericht über das Seminar findest Du hier: Vom gerechten Maß – über Regeln, Rituale und das Leben.
Inhaltsverzeichnis
Meine Regeln und Rituale
In meinem alten Blog habe ich einige Beiträge zu „Productivity” veröffentlicht, so auch zuletzt 2019 über „Persönliche Produktivität und Selbstorganisation am digitalen Arbeitsplatz”. Dabei geht es mir bei Produktivität nicht darum, möglichst viel zu erreichen, sondern mit einem ausgewogenen Maß an Einsatz ein angemessenes Ergebnis zu erzielen und gleichzeitig ein gutes Leben zu führen.
Ich habe Produktivität und Arbeit nie auf den Beruf, die Angestelltentätigkeit oder die Freiberuflichkeit bezogen. Ich sehe das Leben als eine Zusammensetzung verschiedener Sphären, die alle irgendwie den Einsatz von Arbeit erfordern. Arbeit ist für mich der Einsatz von Energie, um ein Ergebnis zu erzielen. Auch Entspannung kann ein solches Ergebnis sein. Dann sollte die eingesetzte Energie besonders gering sein.
Meine Regeln
Im Laufe der Jahre habe ich ein paar Kernregeln zusammengestellt. Ich arbeite ständig mit und an diesen Regeln. Nicht immer halte ich mich an alle meine Regeln, aber ich bemühe mich.
- Gehirne (so wie meines) können vergesslich sein. Für alle Fälle solltest Du Aufgaben oder Notizen festhalten, sobald Dir etwas einfällt oder auffällt.
- Jeder hat seine „beste Arbeitszeit”. Ich bin ein „Morgenmensch”, deswegen plane ich konzentrierte Arbeiten für den Morgen oder den frühen Nachmittag ein.
- „Eat the Frog” („Schluck’ die Kröte”) zuerst. Erledige die härteste und/oder die unangenehmste Arbeit zuerst, dann hast Du den Kopf frei. Ansonsten klopft diese Arbeit immer wieder im Kopf herum.
- Teile größere Aufgaben in Häppchen. Dann geht nichts unter und mit jedem Abhaken hast Du ein Erfolgserlebnis.
- Nimm Dir Zeit für Pausen. Irgendwann lassen Konzentration und Produktivität nach. Wenige Minuten reichen bereits für ein Auftanken.
- Packe Dinge und Abläufe, die Du immer wieder tust, in Rituale. Rituale im Sinne von Gewohnheiten unterstützen die Konzentration, weil sie irgendwann automatisch ablaufen.
- Verwende angemessene Werkzeuge (Zettel, Apps, Programme), um Dir die Arbeit zu erleichtern.
- Sei achtsam. Wenn Du etwas tust, dann tue es bewusst.
- Fokussiere und vermeide Ablenkungen. Multitasking ist Teufelszeug.
- Plane. Lass Dich nicht überraschen.
- Bleibe flexibel. Manchmal ist es einfach notwendig oder besser, einen Plan umzuwerfen.
- Nimm Dir Zeit für Ruhe, Meditation und körperlichen Ausgleich.
- Lass Dir Freiraum fürs Nichtstun. Plane Zeit fürs Nichtstun ein.
Rituale
Die regelmäßige Wiederholung von Ritualen (wie einem Morgenritual) sorgt dafür, dass Du nichts vergisst – weil Du sie mit der Zeit auswendig kannst. Anfangs wirst Du vielleicht noch eine Liste abarbeiten, aber mit der Zeit brauchst Du sie nicht mehr.
Starte die Rituale mit bestimmten Handlungen, um sich so in einen „Ritual-Modus“ zu versetzen. Wenn Du im Home Office arbeitest, so ziehst Du Dich dennoch „büromäßig“ an. Hole Dir einen Kaffee und starte den Rechner. Irgendwann schaltet Dein Kopf unbewusst in den Arbeitsmodus, wenn Du Dich angezogen hast und Dich mit der Kaffeetasse in Richtung Schreibtisch bewegst.
Gönne Dir eine Belohnung, wenn Du eine Ritualliste abgearbeitet hast. Dann kannst Du Dich schon die ganze Zeit darauf freuen.
Mein Morgenritual
- Nachschauen, ob am frühen Morgen Termine oder Aufgaben fällig sind (gegebenenfalls Morgenritual umplanen). Bereits am Vorabend kontrolliere ich das ebenfalls.
- Laufen (Montag, Mittwoch, Freitag), außer ein Termin oder eine Aufgabe kommt dazwischen.
- Meditieren (mit oder ohne Calm)
- Journal schreiben (wie war der Tag, wie war die Nacht, was will ich machen, was fällt mir ein, später für Aufgabenplanung nachschlagen)
- Eingangsfächer- und Aufgabenritual (2-Minuten-Regel, Aufgaben planen für heute)
Mein Wochenritual
Freitags schaue ich, welche Aufgaben und Termine in der nächsten Woche fällig sind und welche Arbeiten ich für spätere Aufgaben und Termine erledigen will – oder ob ich beispielsweise mir Zeit für eine Wanderung nehmen will.
Ich gehe dazu meine Aufgabenliste durch und schaue in meinen Kalender. Dann plane ich Aufgaben für die Folgewoche und lege mir Termine in meinen Kalender (siehe Timeboxing).
Wichtige Aspekte
Timeboxing (auch: Timeblocking)
Ursprünglich kommt das Timeboxing aus der Projektplanung (siehe deutscher Wikipedia-Eintrag „Timeboxing”). Im englischen Wikipedia-Beitrag wird klarer, dass Timeboxing auch für die persönliche Produktivität hilfreich ist. Inzwischen wird für das persönliche Aufgabenmanagement oft der Begriff Timeblocking verwendet:
Timeblocking or time blocking (also known as time chunking) is a productivity technique for personal time management where a period of time—typically a day or week—is divided into smaller segments or blocks for specific tasks or to-dos. It integrates the function of a calendar with that of a to-do list. It is a kind of scheduling.
When done properly, timeblocking can help eliminate distractions and discourage unproductive multitasking.
(Wikipedia contributors. (2022, May 6). Timeblocking. In Wikipedia, The Free Encyclopedia.)
Timeblocking oder Time Blocking (auch Time Chunking genannt) ist eine Produktivitätstechnik für das persönliche Zeitmanagement, bei der ein Zeitabschnitt – in der Regel ein Tag oder eine Woche – in kleinere Segmente oder Blöcke für bestimmte Aufgaben oder To-Dos unterteilt wird. Dabei wird die Funktion eines Kalenders mit der einer Aufgabenliste kombiniert. Es handelt sich um eine Art Zeitplanung.
Wenn es richtig gemacht wird, kann Timeblocking dazu beitragen, Ablenkungen zu beseitigen und unproduktives Multitasking zu verhindern.
(Übersetzt mit www.DeepL.com/Translator)
Schaffe Dir für Deine Arbeiten einen stabilen Rahmen, indem Du zusammenhängende oder ähnliche Tätigkeiten in gemeinsame Zeitabschnitte („Timeboxes“) packst und erledigst.
- Lege Dir in Deinem Kalender Termine für diese Zeitabschnitte, in denen Du zusammenhängende Tätigkeiten abarbeitest.
- Mehrere kleine Aufgaben kannst Du in einen „Zeugs“-Zeitkasten legen, in dem Du sie nacheinander abarbeitest. Du kannst Dir beispielsweise eine halbe Stunde reservieren, in der Du ein paar kleine Telefonate erledigst oder in der Du E-Mails durchgehst.
- Wenn Du konzentriert an einer Tätigkeit arbeiten willst, dann plane Dir einen Zeitabschnitt dafür ein (beispielsweise 3 Stunden an einem Konzept arbeiten).
- Probiere die Pomodoro-Technik aus. Je nach Tätigkeit oder Deinem Empfinden kannst Du die 25-Minuten-Abschnitte an andere Zeitabschnitte anpassen.
- Trage Zeitabschnitte fürs konzentrierte Arbeiten in Deinen Kalender ein. Signalisiere Deiner Umgebung, dass Du dann nicht gestört werden willst (beispielsweise durch ein Schild oder die geschlossene Tür).
Ausgewogenheit
Achte auf Ausgewogenheit für Deine Arbeit und für Dein Leben insgesamt. Dein Leben sollte auch nicht nur aus Arbeit, Produktivität und Planung bestehen.
Der oft verwendete Begriff Work-Life-Balance suggerierte lange, Arbeit sei etwas anderes als das „Leben“. Doch „Arbeit“ ist Teil des Lebens, ebenso wie es Privatleben, Hobbys und Freunde sind. Achte daher auf eine Mischung aus Arbeit, geplanten Zeiten, Aufgaben, Freiräumen, Entspannungen und Ablenkungen.
- Plane „Timeboxes“ auch für die Entspannung ein.
- Manch einem hilft entspannende Hintergrundmusik beim Arbeiten.
- Entschleunige bewusst, indem Du beispielsweise Zeit für ein gemütliches Frühstück einplanst oder in Ruhe eine Playlist hörst.
- Nutze Sport als Ausgleich und zum Auspowern. Oft gelangen gerade bei körperlicher Betätigung die Gedanken ins Fliegen, und Du kommst mit freiem Kopf auf neue Ideen für die Arbeit.
- Ausgewogene und gesunde Ernährung hält Dich nicht nur gesund, Du kannst Ernährung gezielt für Deine Produktivität einsetzen. Mit leichter Kost zum Mittagessen gelingt es besser, das Konzentrationstief nach der Mittagspause zu überwinden.
- Versuche es einmal mit Meditation oder Autogenem Training. Das hilft Dir nicht nur generell, sondern auch in angespannten Situationen schnell auszuatmen und loszulassen.
- Mache Pausen, beispielsweise, um in einem Park spazieren zu gehen.
Flexibilität
Jeder Mensch tickt anders. Manch einer ist ein „Morgenmuffel“, oder eben doch mehr der „Morgentyp“. Manchmal ändern sich die Umstände. Deswegen gibt es kein Patentrezept, mit dem alles für jeden wunderbar funktioniert.
Übernimm nicht einfach etwas, was Dir andere (so wie ich!) als die einzig wahre Lösung darstellen. Zur persönlichen Produktivität gehört das Ausprobieren von Methoden, Vorgehensweisen, Techniken und Tools. Mit der Zeit lernst Du, was am besten für Dich passt und funktioniert.
Ever tried. Ever failed. No matter.
Try again. Fail again. Fail better.
(Samuel Becket, Worstward Ho)
Manches wird Dir zusagen, Anderes nicht. Probiere aus, was am besten zu Dir passt, und organisiere Dir Deine Arbeit nach und nach.
Als Anpassungsfähigkeit, auch Adaptivität, Adaptabilität oder Flexibilität, wird die Fähigkeit eines Lebewesens oder einer Gesellschaft zur Veränderung oder Selbstorganisation bezeichnet, dank der auf gewandelte äußere Umstände im Sinne einer veränderten Wechselwirkung zwischen (kollektiven) Akteuren untereinander (Assimilation) oder ihrer Umgebung gegenüber reagiert werden kann.
Bei aller Liebe zur Produktivität: Bleibe so flexibel, dass Du Deine Pläne, Rituale oder Timeboxes einfach über den Haufen werfen und etwas anderes machen kannst. Entweder, weil die Umstände sich geändert haben, oder weil Du einfach zu etwas anderem Lust hast.
Mein Werkzeugkasten
Dieser Abschnitt enthält Amazon-Affiliate-Links (gekennzeichnet mit „*”. Wenn Du einen Affiliate Link auf meiner Website benutzt und dort einkaufst, erhalte ich eine kleine Provision. Für Dich ändert sich am Preis nichts.
- Für Aufgaben benutze ich seit vielen Jahren Todoist. Für gemeinsame Aufgaben und Planungen benutzen Manuela und ich Microsoft To Do.
- Für Notizen benutze ich Nimbus (ähnlich wie Evernote oder Microsoft OneNote)
- Viele umfangreiche Programme wie Word oder Scrivener (eine Autorensoftware) bieten inzwischen einen Fokus-Modus. Wenn es mir darum geht, einfach nur einen Text zu schreiben, nutze ich den Editor Typora (einmalig 14,99 $) zum ablenkungsfreien Schreiben (so, wie für diesen Text).
- Als Timer, um mich nach einer Zeitspanne daran zu erinnern, dass ich mit der Arbeit aufhöre oder eine Pause mache, nutze ich den Zeitgeber der Windows-Uhr, der Android-Uhr oder der Smartwatch-Uhr
- Um auswerten zu können, wofür ich meine Zeit aufgewendet habe, setze ich die Zeiterfassung von Clockify ein. Das Tool gibt es nur in Englisch, dafür ist mir die kostenlose und bereits umfangreiche Version sehr vollkommen aus.
- Calm unterstützt mich beim Meditieren und beim Ausgleich mit Impulsen, geführten Meditationen, Musik, Klangwelten, Geschichten. Calm gibt es als Abo für jährlich 38,99 € oder als lebenslangen Tarif einmalig für 349,99 €. Tipp: Calm Lebenslang gibt es oft beim Black-Friday sehr günstig.
- Bei myNoise („Focus at Work, Relax at Home, Sleep at Night”) gibt es eine umfangreiche Soundthek mit Klangwelten (Geräuschkulissen aus beispielsweise Urwald, Café, Kloster, Kirche, Regen, Wasserfall, Bibliothek)
- Je nach Bedarf nutze ich für Musikhören, Meditieren etc. einen Kopfhörer. Ich finde, der Anker Soundcore Life Q35* mit ANC (Active Noise Cancellation oder auch Antischall) bietet ein sehr gutes Preis-Leistungsverhältnis.
Bei Werkzeugen, Apps, Gadgets und Co. solltest Du bedenken:
A fool with a tool is still a fool
(Ein Narr mit einem Werkzeug ist immer noch ein Narr).
Wenn Du das Werkzeug nicht verstehst, wenn Du es im Übermaß einsetzt, wenn Du es verkehrt einsetzt, dann bist Du das Problem.
Newsletter „Worte der Weisheit”
Seit ein paar Monaten habe ich den Newsletter „Worte der Weisheit” von Albert Kitzlers „Maß und Mitte” abonniert. Im Newsletter finde ich immer wieder Hinweise und Aspekte dazu, ein rechtes Maß zu finden: Zum Abonnieren des täglichen Newsletters.
… deutscher Philosoph, Rechtsanwalt und Filmproduzent. Unter dem Namen „MASS UND MITTE“ gründete er 2010 in Berlin eine philosophische Schule für antike Lebensweisheit.
Ich will hier nur sitzen
Zum Abschluss noch einen Klassiker übers Nichtstun, der zum Konsumieren und Entspannen einlädt: Loriot „Ich will hier nur sitzen”.