Ein munteres Laufen bei Temperaturen um den Gefrierpunkt und der gesamten Landschaft im Raureif – doch soll ich das Smartphone dabei haben oder nicht?
Die letzten Tage war es kalt in Rheinhessen. Nicht richtig “saukalt”, aber doch am Morgen so etwa minus ein oder zwei Grad Celsius. Oft konnten wir den Himmel nicht sehen, weil sich die Feuchtigkeit über den Boden gelegt hatte. Wir hatten Besuch über Weihnachten und waren kaum draußen. Gestern verabschiedeten wir unsere Besucher und fuhren sie zum Bahnhof beziehungsweise nach Hause.
Heute wollte ich dann endlich wieder laufen. Ich bin derzeit hin und her gerissen mit meiner Lauferei. Einerseits will ich laufen, und andererseits will mich mein innerer Schweinehund zur Faulheit verführen. Die letzten zwei Wochen habe ich ihn – außer an den Weihnachtsfeiertagen – niedergerungen, wenn auch nur für kurze Läufe.
Heute morgen rang ich ihn ebenfalls nieder. Sobald Manuela aus dem Haus und auf dem Weg zur Arbeit war, verließ ich das Haus. Es war um den Gefrierpunkt, aber weder hing Raureif an den Pflanzen, noch waren die Autoscheiben vereist. Nach einem kurzen Zögern entschied ich mich für einen Lauf in den Weinbergen. Also nicht rechts zur Selz hinunter, sondern links die Straße hoch, und dann war ich nach 300 Metern in den Weinbergen.
Dort war der Raureif überall. Schnaufend kämpfte ich mich den ersten Hügel hinauf. Überall Raureif. Oben, auf der Ebene, kreuzten etwa 50 Meter vor mir ein paar Rehe den Weg. Ansonsten entdeckte ich zunächst nur wenige Tiere. Ein paar Raben hier und da. Immer mal wieder war ein Krächzen zu hören.
Am Hang stand ein Trecker am Wegesrand. Gegenüber konnte ich einen Winzer im Weinberg sehen. Möglicherweise schnitt er schon die ersten Triebe zurück.
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Kein Smartphone dabei
Als ich losgelaufen war, hatte ich mich bewusst dazu entschieden, kein Smartphone mitzunehmen. Normalerweise lasse ich den Tracker von Runtastic mitlaufen. Dann lasse ich mir alle ein Kilometer ein paar Daten ansagen. Und – natürlich – schnappe ich mir das Smartphone immer wieder aus dem Oberarmband heraus, um Fotos von der faszinierenden Landschaft zu machen.
Doch heute wollte ich einfach nur das Tracking mit der Garmin Fenix 3 aufnehmen und ansonsten die Landschaft genießen. Es war ein sehr bewusstes Laufen. Zuerst wollte ich immer wieder Fotos machen. Immer mal wieder zuckte ich innerlich zusammen und dachte “Jetzt schnell das Smartphone schnappen und von dem Raureif ein Foto machen.” Doch irgendwann verschwand die Versuchung.
Manchmal hing der vereiste Raureif bis zu 20 Zentimeter von den Ästen der Rebstöcke herab und sah aus, als ob es Jahrhunderte alte Stalagmiten Stalagtiten seien (EDIT: Danke für den Hinweis per Twitter-Nachricht, in der Schnelle habe ich mich vertan).
Lieber doch mit Smartphone laufen?
Vor Weihnachten hatte es recht oft und ausgiebig geregnet. Der Boden war feucht gewesen und jetzt durch die kalten Temperaturen erstarrt. Oft sprang ich über zugefrorene Pfützen. Als der Boden noch feucht und weich gewesen war, hatten zahlreiche Trecker mit ihren grobstolligen Reifen ihre Spuren auf den Feldwegen hinterlassen.
Gelegentlich fürchtete ich, mit meinen Füßen umzuknicken. Also versuchte ich, am auf dem erhöhten Wegesrand zu laufen. Doch auch hier musste ich sehr aufpassen, damit ich nicht über irgendwelche Schollen oder Äste stolperte.
Ungern erinnerte ich mich daran, wie mich im Sommer Muskelfaserrisse mitten in der “Pampas” beim Training für den nächsten Halbmarathon zum langsamen Humpeln gezwungen hatten. Damals hatte mich nur mein Stolz davon abgehalten, Manuela anzurufen und um eine Abholung zu bitten. Falscher Stolz es war.
Heute jedoch hätte ich nicht die Möglichkeit gehabt, sie anzurufen (abgesehen davon, dass sie in Mainz war). Doch wäre ich an einer Scholle umgeknickt und hätte ich mir Bänder gerissen … ich möchte einfach nicht daran denken.
Ich genieße es, abseits von Wegen und Pfaden querfeldein zu laufen. Wenn ich dann eine Verletzung oder einen Unfall habe, dann ist ein Smartphone oft die einzige Möglichkeit, um Hilfe zu bitten. Und falls ich (hoffentlich) vermisst werde, dann kann Manuela übers Live-Tracking die ungefähre Position herausfinden.
Heute morgen hatte ich bislang nur den einen Winzer aus der Ferne gesehen. Hm …
Ich werde zukünftig das Smartphone wieder dabei haben und dabei den Live-Tracker von Runtastic aktivieren. Für alle Fälle. Und fürs Wandern werde ich mir das auch mal überlegen.
Weiter durchs Winterwonderland
So lief ich in Gedanken dann weiter durch ein raureifiges rheinhessisches Winterwonderland und genoß die Landschaft. In der Ferne zog ein Bauer mit seinem Trecker seine Spur durch den Acker und pflügte den Boden um. Und dann waren da wieder Raben, vermutlich Kolkraben. Ganze Schwärme.
Als ich eine Baumreihe entlang schnaufte, sah ich zwei oder drei Bussarde auf den Ackern. Etwa 10 Meter über mir schwang sich ein Bussard über mich hinweg und dann über die Äcker. Plötzlich ein pfeilschneller Schatten. In einer Höhe von nur einem halben Meter warf sich ein riesiger Bussard von den Überresten eines Hochsitzes nur etwa 10 Meter vor mir vorbei
Als ich den Radweg zwischen Mommenheim und Selzen hinunterlief, saßen sie links und rechts vom Weg. Immer wieder spielten sie mit Steinen oder Stöckchen herum. Einige blieben furchtlos auf den Obstbäumen am Wegesrand hocken und blickten auf mich hinunter. Vielleicht lachten sie mich einfach nur aus.
50 Minuten und 7,5 km später und zurück in der warmen Wohnung dachte ich mir: “Schade, dass ich keine Fotos von der raureifen Landschaft machen konnte.”
Doch als ich später vom Einkaufen zurück und durch Zornheim kam, machte ich einen kleinen Abstecher zum Zornheimer Berg. Et voilà …
Und hier als Flickr-Album „Raureif im winterlichen Rheinhessen“ zum Durcklicken: