Du wolltest schon immer einmal Texte von griechischen Philosophen wie dem Stoiker Epiktet oder Weltliteratur wie Jack Londons Seewolf lesen? Oder historische Bücher wie den Klassiker „Rheinhessen in Vergangenheit und Gegenwart“ von Brillmayer? Und Du möchtest nicht dafür bezahlen? Und das alles ganz legal? Dann solltest Du Dir die Gutenberg-Projekte anschauen.
Bücher kosten normalerweise Geld. Gedruckte Bücher sowieso, doch Bücher in elektronischer Form (beispielsweise Tolino, Kindle und PDF) normalerweise ebenso. Das liegt daran, dass Autoren, Verlage und Händler dafür Geld verlangen. Manchmal schreibt und veröffentlicht ein Autor ein Buch kostenlos als Self-Publisher, oder ein Buch gibt es in einer Aktion für kurze Zeit kostenlos.
Doch Gutenberg-Projekte ermöglichen es, dass Du bestimmte Bücher und Texte zeitlich unbefristet kostenlos lesen, benutzen und kopieren kannst. Dass das möglich ist, hängt mit dem Urheberrecht und der Gemeinfreiheit von Werken zusammen. Dadurch sparst Du Geld, Erdnüsse und Sklavenschaft.
Inhaltsverzeichnis
Urheberrecht und Gemeinfreiheit
Bei Büchern (oder allgemein bei Texten) gibt es eine ganze Kette von Personen oder Unternehmen, die einen Aufwand betreiben (wie stunden- oder tagelang einen Text schreiben), Kosten haben und normalerweise einen Gewinn erzielen wollen. Diese Kette beginnt mit dem Autor (von lateinisch auctor „Urheber, Schöpfer, Förderer, Veranlasser“) eines Werkes. Ein Werk kann auch ein Gemälde wie die Mona Lisa sein. Dann spricht man von einem Maler und nicht von einem Autor.
Die allgemeine Bezeichnung für den Erschaffer eines Werkes, unabhängig von der Form des Werkes, lautet Urheber. Der Urheber verfügt automatisch über bestimmte gesetzliche Rechte (das Urheberrecht), ohne dass er diese Rechte irgendwie formulieren oder registrieren muss. Eines dieser Rechte ist eine Schutzdauer. Während dieser Zeit darf absolut niemand sein Werk ohne seine Genehmigung benutzen oder vervielfältigen (es gibt allerdings stark eingeschränkte Ausnahmen wie das Zitatrecht).
Als Regelschutzfrist wird im Urheberrecht die übliche Schutzdauer urheberrechtlich geschützter Werke bezeichnet. In jedem nationalen Urheberrecht gibt es verschiedene Schutzfristen, aber nur eine Regelschutzfrist.
[…]
Die Regelschutzfrist beträgt in der Europäischen Union und der Schweiz 70 Jahre, beginnend mit dem Ablauf des Todesjahres des Urhebers (post mortem auctoris, abgekürzt p. m. a.).
(Seite „Regelschutzfrist“. In: Wikipedia, Die freie Enzyklopädie. Bearbeitungsstand: 6. Juni 2019, 03:16 UTC. (Abgerufen: 5. Januar 2020, 10:59 UTC))
Ich bin der Urheber dieses Textes. So lange ich lebe, kann ich für die Verwendung dieses Textes Geld, Erdnüsse oder Sklavenschaft verlangen (bekommen werde ich vermutlich nichts davon). Mein Urheberrecht an diesem Text verfällt 70 Jahre nach Ablauf meines Todesjahres. Davon habe ich natürlich nichts mehr, doch damit ist sichergestellt, dass meine Erben noch etwas davon haben (können, denn vermutlich bekommen auch sie kein Geld, keine Erdnüsse und keine Sklaven).
Wer diesen Text nicht nur hier lesen, sondern anderweitig verwenden will, muss einen Vertrag mit mir abschließen. Wer diesen Text ohne meine Genehmigung in sein Blog kopiert und dort veröffentlicht, verstößt gegen mein Urheberrecht. Wer diesen Text ohne meine Genehmigung in einem Buch druckt, verstößt gegen mein Urheberrecht. Und zwar unabhängig davon, ob er damit Geld verdient oder nicht. So lange die Frist von 70 Jahren nicht abgelaufen ist, können ich beziehungsweise meine Erben das Recht für die Verwendung dieses Textes mit Bedingungen verknüpfen (beispielsweise Geld, Erdnüsse oder Sklavenschaft dafür verlangen).
Nach Ablauf dieser Schutzdauer (70 Jahre nach meinem Tod) unterliegt dieser Text der Gemeinfreiheit und kann dann von jedem kopiert, bearbeitet oder gedruckt werden.
Der Gemeinfreiheit unterliegen alle geistigen Schöpfungen, an denen keine Immaterialgüterrechte, insbesondere kein Urheberrecht, bestehen. Die im anglo-amerikanischen Raum anzutreffende Public Domain (PD) ist ähnlich, aber nicht identisch mit der europäischen Gemeinfreiheit. Nach dem Schutzlandprinzip bestimmt sich die Gemeinfreiheit immer nach der jeweiligen nationalen Rechtsordnung, in der eine Nutzung vorgenommen wird.
Gemeinfreie Güter können von jedermann ohne eine Genehmigung oder Zahlungsverpflichtung zu jedem beliebigen Zweck verwendet werden. Wer Immaterialgüterrechte geltend macht (Schutzrechtsberühmung), obwohl das Gut in Wahrheit gemeinfrei ist, kann Gegenansprüche des zu Unrecht in Anspruch Genommenen auslösen.
(Seite „Gemeinfreiheit“. In: Wikipedia, Die freie Enzyklopädie. Bearbeitungsstand: 17. Dezember 2019, 20:01 UTC. (Abgerufen: 5. Januar 2020, 11:13 UTC))
Genau da setzt das Gutenberg-Projekt („Project Gutenberg“) an. Denn Werke, die gemeinfrei sind, können von jedem nicht nur gelesen, sondern auch vervielfältigt werden.
Project Gutenberg
Viele Werke werden von Project Gutenberg für die Menschheit als so wertvoll betrachtet, dass sie der Menschheit zur Verfügung stehen sollten – und zwar so, dass jeder kostenlos auf solche Werke zugreifen kann. Namensgeber war der berühmte Mainzer.
(siehe unten, falls Dein Zugriff blockiert wird)
Das Project Gutenberg (PG) ist eine über das Internet zugängliche und von Ehrenamtlichen erstellte digitale Bibliothek. Auf der Website des Projekts können im September 2018 mehr als 57.000 hauptsächlich englischsprachige E-Books kostenlos gelesen und heruntergeladen werden. Eines der Partnerprojekte ist das Projekt Gutenberg-DE, das vorrangig deutschsprachige Literatur anbietet.
Im Project Gutenberg werden E-Books von gemeinfreien literarischen Texten erstellt. Dazu wurden die Bücher ursprünglich von Hand abgetippt, auf den Server des Projekts hochgeladen und schließlich korrekturgelesen. Seit den 1990er Jahren kommen zunehmend auch Buchscanner und Texterkennungssoftware zum Einsatz. Seit Mitte der 1990er Jahre stehen die angebotenen Texte über das Internet zur Verfügung.
(Seite „Project Gutenberg“. In: Wikipedia, Die freie Enzyklopädie. Bearbeitungsstand: 1. Januar 2020, 23:31 UTC. (Abgerufen: 5. Januar 2020, 13:24 UTC))
Die Werke (vorwiegend Texte, gelegentlich andere Formate wie Bilder) gibt es in den Formaten Text, EPUB (beispielsweise für Deinen Tolino), Mobi (für Deinen Amazon Kindle) sowie HTML (zum Lesen im Browser). Hauptsächlich liegen die Werke in Englisch vor. Beispiele:
- Adventures of Huckleberry Finn by Mark Twain
- Ion by Plato
- Moby Dick; Or, The Whale by Herman Melville
- The Count of Monte Cristo, Illustrated by Alexandre Dumas
- The Enchiridion by Epictetus
- The Picture of Dorian Gray by Oscar Wilde
- Treasure Island by Robert Louis Stevenson
Aber es gibt auch so manchen Klassiker in Deutsch:
- Der Tod in Venedig by Thomas Mann
- Buddenbrooks: Verfall einer Familie by Thomas Mann
- Also sprach Zarathustra: Ein Buch für Alle und Keinen by Nietzsche
- Der Struwwelpeter by Heinrich Hoffmann
- Kritik der reinen Vernunft by Immanuel Kant
- Die Abenteuer Tom Sawyers by Mark Twain
Wermutstropfen: Blockierte Zugriffe aus Deutschland
Es gibt allerdings eine Hürde zu überwinden: Zugriffe aus Deutschland werden blockiert. Greifst Du aus Deutschland auf Project Gutenberg zu, dann erhältst Du eine Fehlermeldung.
Your IP Address in Germany is Blocked from www.gutenberg.org
We apologize for this inconvenience. Your IP address has been automatically blocked from accessing the Project Gutenberg website, www.gutenberg.org. This is because the geoIP database shows your address is in the country of Germany.
[…]
Why did this block occur?
A Court in Germany ordered that access to certain items in the Project Gutenberg collection are blocked from Germany. Project Gutenberg believes the Court has no jurisdiction over the matter, but until the issue is resolved, it will comply.
Grund ist ein Verfahren des S. Fischer Verlags, das der Verlag gewonnen hat. Project Gutenberg hat bereits zu Beginn des Verfahrens vorsichtshalber alle Zugriffe aus Deutschland blockiert.
Die Lösung: VPN
Die Lösung dafür lautet Virtual Private Network (VPN). Mit einem VPN bekommst Du zusätzlich zum Zugang deines DSL-Anbieters oder Deines Mobilfunkanbieters einen weiteren Zugang. Dieser Zugang nutzt Deinen vorhandenen Zugang, um eine verschlüsselte Verbindung mit einem Server in einem anderen Land aufzubauen. Wenn Du jetzt eine Website (wie Project Gutenberg) aufrufst, dann scheinst Du die Website von diesem anderen Land aus aufzurufen. Et voilà – Du greifst beispielsweise von USA aus auf Project Gutenberg zu und wirst nicht blockiert.
Ein VPN hat noch einen weiteren Vorteil. Eigentlich solltest ein öffentliches WLAN (beispielsweise im Café, im Hotel oder in der Bahn) nur mit einem verschlüsselten Zugang benutzen. Ansonsten kann jeder in diesem WLAN Daten abgreifen und unter Umständen Deinen Rechner infizieren.
Du kannst Dich bei einem der zahlreichen VPN-Anbieter registrieren. Eine Übersicht der Anbieter bekommst Du beispielsweise hier: Die besten VPN-Dienste 2019 im Vergleich – PC Welt. So ein VPN-Zugang kostet je nach Anbieter und Tarif etwa zwischen 1 und 3 Euro im Monat. Ich benutze seit ein paar Jahren PureVPN.
Um das mit dem VPN erst einmal auszuprobieren, kannst Du auch einen kostenlosen Tarif nutzen (siehe VPN kostenlos: Die besten Dienste für Windows – Chip).
Projekt Gutenberg-DE
Das Partnerprojekt Gutenberg-DE war bis zum 5. Januar 2020 über eine Domäne von Spiegel Online (https://gutenberg.spiegel.de) zu erreichen. Seit 6. Januar 2020 hat das Projekt eine eigene Domäne (https://www.projekt-gutenberg.org).
Dort gibt es über 10.000 Werke von Autoren wie Heinrich Mann, George Bernhard Shaw, Hans Fallada und Jack London. Im Gegensatz zum Project Gutenberg gibt es die Werke allerdings nur online im HTML-Format zum Betrachten im Browser.
Das Projekt Gutenberg-DE bietet deutschsprachige E-Texte werbefinanziert im Internet an. Dabei handelt es sich in den meisten Fällen um Texte von Autoren, die vor mehr als 70 Jahren gestorben sind und deren Werke daher gemeinfrei wurden, also nicht mehr dem Urheberrecht unterliegen. Seit Juli 2011 bietet das Projekt Gutenberg-DE gemeinsam mit dem tredition-Verlag aus Hamburg die ersten der vielen vergriffenen Werke wieder als gedrucktes Buch im Handel an.
(Seite „Projekt Gutenberg-DE“. In: Wikipedia, Die freie Enzyklopädie. Bearbeitungsstand: 29. Mai 2019, 22:27 UTC. (Abgerufen: 5. Januar 2020, 13:09 UTC))
Falls Du kostenlos Literaturtexte in Deutsch wie von Jack London (wie Der Seewolf oder Lockruf des Goldes, beides Links zu Wikipedia) lesen möchtest, dann bist Du dort genau richtig. Ebenfalls Johann Wolfgang von Goethe kannst Du dort lesen (beispielsweise Belagerung von Mainz sowie Dichtung und Wahrzeit). Aber auch Texte von Philosophen wie Epiktets Handbüchlein der Moral gibt es dort (ebenfalls in Deutsch).
Gutenberg Capture der Universitätsbibliothek Mainz
Ein weiteres Gutenberg-Projekt ist Gutenberg Capture der Universitätsbibliothek Mainz. Das Projekt digitalisiert historische Quellen und stellt sie der Wissenschaft weltweit zur Verfügung.
Gutenberg Capture ist das Online-Portal der Universitätsbibliothek zur digitalen Erschließung und Bereitstellung von Quellenmaterial für die Wissenschaft. Sie finden hier hochwertige Digitalisate und Erschließungsdaten, die Sie frei für Ihre Forschung nutzen können.
Derzeit (5. Januar 2020) kannst Du dort 1.751 Werke als PDF-Datei herunterladen. Du findest aufgrund der Aufgabenstellung jedoch keine „Literaturschmöker“ oder philosophische Betrachtungen, sondern Werke wissenschaftlichen Interesses.
Dabei sind allerdings auch Werke, in denen Du Dich über die Geschichte von Rheinhessens informieren kannst. Zwei Beispiele:
- Rheinhessen in Vergangenheit und Gegenwart: Brillmayer, Carl Johann. Gießen 1905 [141 mb]. „Der Brillmayer“ ist ein Standardwerk, wenn es um Überlieferungen, Ortschaften und Geschichte(n) Rheinhessens geht.
- Geschichte von Mainz als Festung und Garnison von der Römerzeit bis zur Gegenwart: Börckel, Alfred. Mainz 1913 [95 MB]. Ein weiteres Standardwerk. Ich habe es beispielsweise für meine Recherche für meine erste Prüfung zum Kultur- und Weinbotschafter Rheinhessen über die Selzstellung (Die Selzstellung – das deutsche Verdun) verwendet.
Da Gutenberg.com im Internet Archive enthalten ist kann man auch darüber ohne VPN drauf zugreifen. Einfach hier anfangen und stöbern:
https://web.archive.org/web/20210607021814/https://www.gutenberg.org/
Wenn man ein bestimmtes Werk braucht, kann man es auch in Google suchen und den Gutenberg Link dann in Archive.org eingeben, z. B.
Der Tod in Venedig
https://web.archive.org/web/20201230191910/http://www.gutenberg.org/cache/epub/12108/pg12108.html
Danke für den Tipp! Eben ausprobiert, funktioniert!