Wie berechnet man die Dauer für Wanderungen? Wie lange werde ich für meine Wandertour brauchen? Nimmt man einfach die Länge der Strecke und teilt sie durch eine Durchschnittsgeschwindigkeit? Das kann bei ebenen Rundtouren passen, muss es aber nicht. Je mehr Höhenmeter, desto schwieriger wird die Berechnung. Gut, dass es eine DIN-Norm und Gehzeitrechner im Netz gibt.
Lange Zeit habe ich mich gefragt, wie denn Wandervereine, Tourismusorganisationen oder Plattformen wie Outdooractive und Komoot die Gehzeit für einen Wanderweg berechnen. Und ich dachte diese lange Zeit, dass man einfach die Länge einer Tour durch eine Durchschnittsgeschwindigkeit teil, und dann hat man die Gehzeit für die Wanderung. Das passt sogar recht gut hier bei uns in Rheinhessen.
Aber je mehr Höhenmeter im Aufstieg und/oder im Aufstieg bei einer Wanderung zu bewältigen sind, desto ungenauer und unzuverlässiger wird eine solche einfache Berechnung. Deswegen gibt es eine Formel, mit der Höhenmeter berücksichtigt werden, und die man mit eigenen Erfahrungswerten anpassen kann.
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Einfache Formel zur Berechnung der Gehzeit
Manuela und ich rechnen etwa 3,5 km pro Stunde inklusive kurzen Haltepausen beispielsweise für Aussichten oder Fotos. Das ist ein Wert, der sich aus unseren Erfahrungen in den letzten Jahren ergeben hat. Wissen wir, dass wir viele Aussichtspunkte haben oder dass die Strecke oft hoch und runter geht, gehen wir vielleicht auf 3,2 km pro Stunde runter.
Doch diese einfache Formel hat drei »Haken«:
- Manuela und ich laufen fast immer Rundtouren, bei denen naturgemäß Aufstiegsmeter und Abstiegsmeter gleich sind. Hinauf sind wir etwas langsamer, hinab wieder etwas schneller. Aufwärts sind wir kaum langsamer als wir abwärts schneller sind.
- Wir wandern oft in Rheinhessen oder nahegelegenen Regionen mit relativ wenigen Höhenmetern. Da gibt es kaum richtig viele Aufstiegsmeter, wo wir dann einen Berg hinaufkeuchen und so richtig langsam werden.
Was ist mit Mittelgebirgen und Alpen?
Auf dem Grenzgängerweg in den Alpen hatte ich an einem Tag sehr viele Aufstiegsmeter und kaum Abstiegsmeter. Da ging meine Durchschnittsgeschwindigkeit schnell in den Keller. Außerdem war ich solche Etappen nicht gewohnt.
Was macht man also bei der Gehzeitberechnung mit Touren, die mehrere hundert Höhenmeter haben? Oder gar einer Etappentour in den Alpen mit 1.000 hm (Höhenmeter) aufwärts und nur 200 hm abwärts, bis man an der Hütte angelangt ist? Passt das denn dann mit der Gesamtdurchschnittsgeschwindigkeit noch? Kurze Antwort: Nein. Wie berechnet man dann die Gehdauer? Kurze Antwort: Die gibt es nicht (also die kurze Antwort).
DIN-Norm und Deutscher Alpenverein
Die lange Antwort: Wie so oft in Deutschland gibt es auch hierfür eine DIN-Norm. Auf Grundlage der DIN 33466 »Wegweiser für Wanderwege« sowie den Angaben des Deutschen Alpenvereins (DAV) werden die Gehzeiten berechnet.
- Ein »durchschnittlicher« Wanderer legt in einer Stunde etwa 4 Kilometer in der Entfernung zurück, das ergibt die »Horizontalzeit«.
- Standardmäßig schafft ein solcher Wanderer pro Stunde 300 Meter im Aufstieg und 500 Meter im Abstieg. Die Abstiegs- und die Abstiegszeit ergeben in Summe die »Vertikalzeit«.
- Die Vertikalzeit und die Horizontalzeit werden verglichen.
- Der kleinere Wert wird halbiert und zum größeren Wert hinzugefügt.
Diese Standardgeschwindigkeiten (4 km/h für die Steckenlänge, sowie 300 hm/h im Aufstieg und 500 hm/h im Abstieg) kann man aufgrund eigener Erfahrungen anpassen.
So geht’s
Nehmen wir eine konkrete Wandertour: »Enuff uf die Hiwwel un enunner ins Tal« am Selzbogen mit einer Länge von 11,3 km, 133 hm aufwärts und 133 hm abwärts. Für diese Wanderung bedeutet das:
- Horizontalzeit: 11,4 / 4 = 2,83 Stunden
- Vertikalzeit: (135 / 300) + (135 / 500) = 0,44 + 0,27 = 0,71 Stunden
- Da die Vertikalzeit kleiner als die Horizontalzeit ist, wird sie halbiert: 0,35 Stunden
- Horizontalzeit + Vertikalzeit = 2,83 + 0,35 = 3,18 Stunden
- 3,18 dezimale Stunden ergeben 3:11 Stunden
Ich habe die Tour mit Outdooractive geplant, und Outdooractive berechnet 2:55 Stunden Dauer für die Tour. Outdooractive benutzt offensichtlich nicht die Standardwerte für Durchschnittsgeschwindigkeit und die Höhenmeterzeiten. Vielleicht sogar noch nicht einmal die Formel der DIN-Norm. Nehme ich den Erfahrungswert von Manuela und mir (3,5 km pro Stunde), so wären das 3,23 Stunden, also 3:14 Stunden. Das passt recht gut!
Doch wie sieht das mit einer Etappenwanderung mit mehr und mit unterschiedlichen Höhenmetern aus?
Dazu schauen wir uns die »Grenzgänger Etappe 1 – Bschießer, Ponten, Zirleseck und Willersalpe« an:
- Nur 9,3 km Länge
- 1.054 hm Aufstieg
- 692 hm Abstieg
Mit der einfachen Durchschnittsmethode bräuchten wir für die Tour gerade einmal 2:43 Stunden (9,3 / 3,5). Selbst bei einer reduzierten Durchschnittsgeschwindigkeit von 3 km/h bräuchten wir angeblich nur 3:06 Stunden.
- Horizontalzeit: 9,3 / 4 = 2,325 Stunden
- Vertikalzeit: (1.054 / 300) + (692 / 500) = 3,513 + 1,384 = 4,897 Stunden
- Diesmal wird die kleinere Horizontalzeit halbiert (1,162) und auf die Vertikalzeit aufgeschlagen
- Horizontalzeit + Vertikalzeit = 1,162 + 4,897 = 6,059 Stunden
- 6,06 dezimale Stunden ergeben 6:04 Stunden
Ganz ehrlich: Diese Zeit passt so wesentlich besser. Allerdings bin ich kein geübter Alpin-Wanderer, deswegen würde ich sicherlich aufgrund der Höhenmeter noch einiges länger benötigen und das bei den Höhenmetergeschwindigkeiten anpassen.
Alles Paletti?
Nun, ein kleiner Haken bleibt noch: Die Länge der geplanten Tour entspricht selten der Länge der gelaufenen Tour. Beim Wandern laufen wir nie wirklich gerade. Ein Stück gehen wir auf der rechten Seite des Weges, dann wechseln wir hinüber für den Ausblick ins Tal, dann wieder zurück. Da lockt ein Aussichtspunkt nur »wenige Meter« ab vom geplanten Weg. Links ist eine Wiese mit vielen wundervoll blühenden Pflanzen, da müssen wir hin. Oh, da drüben ist ja ein Eiscafé!
Außerdem sind die GPS-Messungen von Apps oder Sportuhren nicht auf den Zentimeter genau. Die Positionsbestimmungen für die Aufzeichnungen von Touren werden in kurzen Zeitintervallen vorgenommen. Die ermittelten Standorte weichen schon mal ein paar Meter vom tatsächlichen Standort ab. Die Apps nehmen also eine Glättung vor, um Abweichungen auszugleichen. Aber damit wird dann eben nicht jeder Zentimeter so aufgezeichnet, wie gelaufen wird.
Alles in allem habe ich die Erfahrung gemacht, dass die tatsächliche gegangene Länge einer Wandertour etwa 5 bis 10 Prozent höher als die geplante Länge ist. Wer besonders oft und gerne sich »ins Feld schlägt«, der wird eine höhere Abweichung erreichen.
Bei uns passt die Durchschnittsgeschwindigkeit von 3,5 km/h bei wenigen Höhenmetern und üblichen Abweichungen für Fehlmessungen und -glättungen, Fotos, Aussichtspunkten und Eiscafés. Aber wir kalkulieren nie »auf Punktlandung«. Wir nehmen immer eine Kulanzzeit hinzu. Wenn wir eine Brotzeit mit Kaffee machen, dann kalkulieren wir schon mal mit 3,0 km/h.
Insgesamt sind die Angaben für Tourenlängen einigermaßen zuverlässig, wenn die Touren nicht zu lange und nicht zu viele Höhenmeter haben. Einfach eine Reserve aufschlagen, und das reicht für den Anfang. Mit der Zeit gewinnt jeder Erfahrung und erhält seine persönliche Geschwindigkeit zum Einschätzen der nächsten Tour.
Also viel Spaß beim Ausprobieren und Erfahren!
Links zur Berechnung der Gehzeit
- Wie berechnet man die Gehzeit auf Wanderwegen? (Alpenverein.at)
- DAV Gehzeitrechner
- Gehzeit-Rechner (Bergfreunde)
- Die Wanderformel – Wie Wanderzeit berechnet wird (BR)