Aus dem Wohnzimmer und aus dem Büro hinaus blicke ich auf die katholische Kirche von Selzen. Vor ihr wächst seit einigen Jahren ein jetzt gerade blühender Kastanienbaum empor. Oben im Giebel gibt ein Biforium einem jungen Turmfalken Schutz und Ausblick zugleich.
Wir wohnen in der Friedhofstraße in Selzen direkt neben der evangelischen Pfarrkirche und dem alten Friedhof (denkmalgeschützt, seit langem nicht mehr als solcher genutzt). Gegenüber auf der anderen Straßenseite ist die katholische Kirche – doch sie gibt es erst seit 1876.
1705 wurden die Kirchen an die Konfessionen verteilt, die Selzer Pfarrkirche verblieb bei den Reformierten, die Katholiken durften das Erdgeschoss des seinerzeit neu erbauten Rathauses als Kapelle nutzen. Es darf vermutet werden, dass dies ein Hauptgrund für den vom Kurfürsten um 1700 veranlassten Bau war; es war auch der eigentliche Grund für den Abbruch im Jahre 1875. Im Zuge dieses ,,Kulturkampfs“ erhielt Selzen dann 1876 seine heutige katholische Pfarrkirche, wiederum dem Geheimnis der Geburt Mariä geweiht.
(Mariä Geburt Selzen – Pfarrei St. Maria Magdalena)
Der Neubau der katholischen Kirche, die ich 145 Jahre später aus meinem Bürofenster immer im Blick habe, war das Ende des Kampfes der Katholiken in Selzen um ein eigenes Gotteshaus. Ursprünglich war Selzen katholisch, doch im Zuge der Reformation und der nachfolgenden Auseinandersetzungen wechselten die Kurpfälzer zum reformierten Bekenntnis. Die Kurpfalz hatte in einem lange anhaltenden Machtkampf das Wormser Domstift nahezu komplett verdrängt. Das zeigt auch das Selzer Dorfwappen, auf dem der kurpfälzer Löwe den geraubten Wormser Schlüssel in seiner Klaue hält.
Endlich also hatten die Katholiken 1876 ihre eigene Kirche. Natürlich (so meine Interpretation) bekamen sie aber keinen Platz für ihre Kirche im Dorfzentrum. Die evangelische Pfarrkirche und der alte Friedhof mit seiner Mauern den Dorfrand, der über viele Jahrhunderte auch befestigt war. Die Katholiken mussten also mit ihrer Kirche draußen bleiben.
Die ganze Geschichte um die Herrschaft über und die Glaubensrichtungen in Selzen ist wie so ziemlich in ganz Rheinhessen ziemlich verworren. In Selzen führte das beispielsweise zum „Kampf um das Selzer Rathaus“ (Der Selzer). Als „Ringeritschter“ (d.h. Zugezogener, nicht aus Selzen) blicke ich das natürlich nicht wirklich, aber ich vermute, dass inzwischen die Katholiken und die Reformierten (d.h. Evangelen) in Selzen relativ friedlich nebeneinander leben und es womöglich sogar zu interkonfessionellen Heiraten kommt.
Anmerkung: Mein Vater, 1932 geboren und dann aufgewachsen in Schwabenheim an der Selz, erzählte mir, dass dort viele Jahre noch auf gar keinen Fall zwischen Katholiken und Evangelen eine Dreschmaschine geteilt wurde. Jede Glaubensrichtung bestand auf ihre eigene evangelische beziehungsweise katholische Dreschmaschine. Und Heiraten zwischen Katholen und Evangelen … um Himmels Willen!!!
Seit wir vor ein paar Jahren hierher gezogen waren, kann ich jedes Jahr den Kastanienbaum im Frühling beobachten, wie er wieder Blätter bekommt und irgendwann seine Blütenstauden entwickelt. Nahezu das ganze Jahr sogar kann ich Turmfalken beobachten, wie sie sich das Doppelfenster im Giebel als Ausguck und Rastplatz zum Kurzzeitdomizil auswählen. In den letzten Monaten waren immer wieder die Schreie der Turmfalken zu hören. Derzeit sitzt immer mal wieder ein Turmfalke oben drin, der sogar noch ab und zu von einem Elter Futter gebracht bekommt.
Am letzten Freitag konnte ich wieder von unserem Wohnzimmer aus Kirche, Kastanienbaum und Turmfalke in der wunderbaren Abendsonne bewundern. Kurzentschlossen fotografierte ich die Szene. Danach wechselte ich das Objektiv, um den Turmfalken heranzuzoomen.
Inhaltsverzeichnis
Katholische Kirche Selzen mit Kastanienbaum und Turmfalke
Katholische Kirche Selzen: Turmfalke im Biforium
Katholische Kirche Selzen: Turmfalke im Biforium (ausgeschnitten)
Der #Fotomontag
Jeden Montag gibt es ein bis vier Fotos von meiner Canon EOS M50. Auf Flickr sind die Fotos mit einer Breite von 4000 Pixeln im Album #Fotomontag abgelegt. Dort gibt es auch eine Kartenansicht des Albums mit den GPS-Positionen der Fotos. Alle Fotomontage gibt es hier:
Fotomontag – jeden Montag eine gute Tat
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