Bei einem Spaziergang erkunde ich die Kaiserpfalz Ingelheim und ein kleines Stück meiner persönlichen Vergangenheit.
Es ist ein Montag, und ich fahre Manuela zu einem Termin nach Ingelheim. An der Mainzer Straße parke ich den Wagen. Nur etwa 200 Meter schreite ich die Mainzer Straße hoch bis zum François-Lachenal-Platz, von wo aus ich die Kaiserpfalz Ingelheim erkunden will.
Inhaltsverzeichnis
- François-Lachenal-Platz mit Marktbrunnen und Rathaus
- Museum bei der Kaiserpfalz
- Kaiserpfalz Ingelheim – ein Rundgang
- Archäologischer Schutzbau mit Wehrmauer (14)
- Reisekönige und Kaiserpfalzen
- Aula Regia (3)
- Bassin der Fernwasserleitung (7)
- Heidesheimer Tor (8)
- Saalkirche (4)
- Portal der ehemaligen Schaffnerei: Zuckerberg 26
- Befestigung, Reste der Wehrmauer (11)
- Newsletter
- Neues aus Rheinhessen über Wandern, Genuss und Kultur
François-Lachenal-Platz mit Marktbrunnen und Rathaus
Bevor ich die Kaiserpfalz erkunde, streune ich kurz über den François-Lachenal-Platz. François Lachenal
(* 1918 in Genf; † 1997, ebenda) war ein Schweizer Diplomat und Verleger. Während der Besetzung Frankreichs durch Deutschland seit 1940 spielte er eine bedeutende Rolle bei der Veröffentlichung und Verteilung von Schriften der französischen literarischen Résistance gegenüber dem Nazismus. […]
Ab 1953 hatte er einen Platz im Rat des Pharmaunternehmens Boehringer Ingelheim. Er hat die Internationalen Tage (Journées internationales) von Ingelheim, ein Kunstfestival, gegründet und organisiert, das jedes Jahr einem anderen Thema gewidmet ist.
(Seite „François Lachenal“. In: Wikipedia, Die freie Enzyklopädie. Bearbeitungsstand: 8. November 2019, 10:08 UTC. (Abgerufen: 5. März 2020, 15:35 UTC))
Passend dazu liegt am Platz das ehemalige Rathaus von Nieder-Ingelheim, in dem seit 1984 Ausstellungen der Internationalen Tage stattfinden. Vom 26. April bis zum 5. Juli 2020 ist hier eine Paul-Klee-Ausstellung.
Zu François Lachenal siehe auch: Spuren in Ingelheim hinterlassen (Allgemeine Zeitung).
Auf dem Platz, der von Bäumen umgeben ist, befindet sich der alte Marktbrunnen von Nieder-Ingelheim. Ein
Klassizistischer Laufbrunnen, erbaut 1811 von Baumeister Georg Arnold aus Mainz. Kreisrundes Wasserbecken auf drei Stufen. Eine Säule mit Blattfries trägt drei bronzene Ausläufe, die in Schwanenköpfen enden. Ihre Halterungen sind als Schlangen ausgebildet. Dem großen Becken sind zwei in die Stufen eingelassene Schöpfbecken vorgelagert (Zuflüsse 1998 in Messing erneuert).
(Informationsschild in der Nähe des Brunnens)
Museum bei der Kaiserpfalz
Es ist ein Montag, und so ist das Museum bei der Kaiserpfalz leider geschlossen. Aber das wusste ich vorher. Schade, denn ich hätte meine Eindrücke von einer Exkursion bei meiner Ausbildung zum Kultur- und Weinbotschafter Rheinhessen gerne aufgefrischt. An jedem anderen Wochentag hätte ich mir das Museum wieder anschauen können (Öffnungszeiten) und dann auch wieder die Goldmünze Karls des Großen bestaunen können.
- Museum bei der Kaiserpfalz
- François-Lachenal-Platz 5
- 55218 Ingelheim am Rhein
- Google Maps
Nur kurz verweile ich vor dem Museum und stöbere an ein paar Infotafeln. Dann beginne ich meinen Rundgang.
Kaiserpfalz Ingelheim – ein Rundgang
Die Außenanlagen der Kaiserpfalz Ingelheim lassen sich auch montags mit einem Rundgang erkunden. Für einige Stellen der Kaiserpfalz, für den jüdischen Friedhof und auch für die Saalkirche jedoch muss man sich einen Schlüssel im Museum abholen. Aber auch ohne die wenigen verschlossenen Bereiche lohnt sich die Erkundung der Kaiserpfalz bei einem etwa ein- bis eineinhalb-stündigen Spaziergang.
Die Kaiserpfalz Ingelheim ist kein zusammenhängender Gebäudekomplex, wie beispielsweise die Kaiserpfalz Goslar. Wer hier also prächtige Bauten und riesige Säle erwartet, der wird enttäuscht sein. Doch gerade durch die verstreuten und restaurierten Überreste inmitten einer Stadt werden mir die Ausmaße der Kaiserpfalz so richtig klar. Außerdem informieren verschiedene Tafeln über die Zwecke und die Restaurierungen der einzelnen Bestandteile.
Die Ingelheimer Kaiserpfalz ist eine bedeutende Pfalz aus der zweiten Hälfte des 8. Jahrhunderts; sie diente den Kaisern und Königen bis ins 11. Jahrhundert als Aufenthalts- und Regierungsort. Der Pfalzkomplex liegt im heutigen Nieder-Ingelheim, 15 km westlich von Mainz, in der Flur „Im Saal“ auf einem Hang mit weiter Aussicht auf die Rheinebene. Von den Gebäuden der Kaiserpfalz sind eindrucksvolle Reste bis heute oberirdisch erhalten. Der größere Teil der Anlage liegt als Fundament unter der Erde und erlaubt es aufgrund archäologischer Grabungen, die Gesamtanlage zu rekonstruieren.
(Seite „Ingelheimer Kaiserpfalz“. In: Wikipedia, Die freie Enzyklopädie. Bearbeitungsstand: 12. Oktober 2019, 14:08 UTC. (Abgerufen: 5. März 2020, 15:32 UTC))
An einer Stele vor dem Museum hängt eine Karte mit insgesamt 18 Markierungen. Um den Rundweg zu beginnen, soll ich mich nach links wenden und nach 100 Meter in die Straße „Im Saal“ einbiegen. Kurz darauf soll ich links der Karolingerstraße folgen. Zur Dokumentation starte ich das Tracking meiner Uhr, damit ich mir später meinen Rundgang anschauen kann. Und dann gehe ich los und los und los …
Später werde ich auf meinen Fotos Hinweise auf den Tafeln lesen, wie der Rundweg weiterzugehen wäre.
Tipp: Nicht auf die Aufkleber des Kaiserpfalzwegs achten, sondern die Texte auf den Tafeln lesen und beachten – so werde ich es auch beim nächsten Mal machen.
Archäologischer Schutzbau mit Wehrmauer (14)
Fast hätte ich den etwas versteckten Eingang zum Archäologischen Schutzbau übersehen. Das Tor ist unverschlossen, und so durchschreite ich es. Der Zugang zur hochmittelalterlichen Warmluftheizung ist heute leider verschlossen (Montag!), doch durch die Glaswand bekomme ich einen Eindruck. Bei geöffnetem Museum hätte ich dort einen Schlüssel ausleihen können. Doch nachdem ich die Wendeltreppe zur Wehrmauer hinaufgestiegen bin, habe ich einen guten Rundumblick mit St.-Remigius-Kirche im Westen, der Aula Regia im Norden und der Saalkirche im Osten.
Auf der Straße kann ich weiße Platten erkennen. Mit weißen Travertinenplatten wurde der Verlauf von frühalterlichen Fundamenten und Mauern kenntlich gemacht. Schnell erkenne ich, dass die früheren Fundamente plötzlich an einem Privatgrundstück oder einer Hausmauer enden. Doch wahrscheinlich enden die Fundamente dort gar nicht, sondern sie setzen sich unter den Häusern fort. Nachdem die Kaiserpfalz immer mehr verfiel und auch als Steinbruch benutz wurde, haben Leute ihr Heim über den Fundamenten der Kaiserpfalz errichtet. Manchmal haben sie sogar eine alte Mauer als Hausmauer verwendet und damit Bauzeit gespart.
Reisekönige und Kaiserpfalzen
Karl der Große war wie alle Könige jener Zeit ein Reisekönig. Mit einem großen Tross durchzog er sein Herrschaftsgebiet. Er sprach Recht, vergab oder nahm Rechte, empfing Gäste und feierte. So sollten Kaiserpfalzen einerseits dem Tross (und vor allem dem Kaiser) Bequemlichkeiten bieten. Andererseits waren Kaiserpfalzen vor allem Repräsentationsbauten, die Untergebene und Gäste wie fremde Herrscher oder Adlige beeindrucken sollten. Kaiserpfalzen waren damals in der Regel irgendwo mitten im Reich und nicht direkt durch Aggressoren bedroht.
Dementsprechend gab es bei der Kaiserpfalz Ingelheim zu Beginn keine Wehrmauern oder -türme. Die Kaiserpfalz lag an einem leichten Hang und hatte keine natürliche Deckung. Das Heidesheimer Tor war offen und sollte Ankömmlinge beeindrucken. Erst im 12. Jahrhundert, als beispielsweise durch Erbstreitereien das Reich immer weiter auseinanderfiel, wurde die Kaiserpfalz zu einer Wehrburg ausgebaut.
Aula Regia (3)
Da lockt mich auf der linken Seite ein Tor zur Aula Regia, dem einstigen Thronsaal Karls des Großen. Irgendwie, so merke ich, habe ich mich nicht an den Rundweg gehalten. Denn nach der Nummer 14 des Rundwegs bin ich jetzt an Station 4.
Heute ist nicht mehr viel von der Aula Regia zu sehen, und einiges davon ist eine Rekonstruktion. So kann ich an einigen Stellen an den Mauern erkennen, dass über einer originalen Steinschicht zunächst eine metallene Decke liegt, worauf dann die Mauer nach oben nachgebaut wurde. Die Aula Regia wurde Ende des 8. Jahrhunderts errichtet und hat auch heute noch imposante Ausmaße. Sie hat eine Länge von 40,5 Meter und eine Breite von 16,5 Meter. Eine Rekonstruktion ergab, dass sie über 13 Meter hoch war.
Die Innenausstattung war stattlich: Sehr farbig und mit Marmor. Also genau das Richtige, um Gäste und Bittsteller so richtig zu beeindrucken. An der Längsseite ist auf einer Tafel eine digitale Rekonstruktion, wie die Aula Regia damals ausgesehen haben muss.
Bassin der Fernwasserleitung (7)
Die Wasserversorgung der Kaiserpfalz Ingelheim wurde durch eine 7 Kilometer lange Fernwasserleitung sichergestellt. Die Wasserleitung führte aus Richtung Heidesheim unter dem Heidesheimer Tor hindurch und bis zu einem Bassin, das wieder freigelegt wurde.
Das Bassin der Fernwasserleitung ist ein Wasserbecken mit Zu- und Ablauf, das sich im Zentrum der Pfalzanlage befand. Es stammt aus der ersten Bauphase der Kaiserpfalz am Ende des 8. Jahrhunderts. Das Becken ist 2,5 mal 2,7 Meter groß und war eine unterirdische Einrichtung, denn es lag mehr als zwei Meter unter dem Bodenniveau. Heute sind es knapp vier Meter.
(Bassin der Fernwasserleitung erstmals öffentlich zugänglich – Kaiserpfalz Ingelheim)
Heidesheimer Tor (8)
Das Heidesheimer Tor ist Teil eines Halbkreisbaus, der früher in seiner Mitte eine Toröffnung hatte, die später aber vermutlich im Hochmittelalter (11. bis 13. Jahrhundert) beim Ausbau zum Wehrbau zugemauert wurde. Auch der Zugang zu diesem Bereich ist unverschlossen, so dass ich durch das metallene Tor eintreten kann.
Um das Jahr 800 wurde hier der Halbkreisbau mit einem Säulengang errichtet. Im 12. Jahrhundert wurden die oberen Bereiche abgebrochen und durch eine Wehrmauer ersetzt. An dem Umbau des Heidesheimer Tors lässt sich gut der Wandel von einer Palastanlage zu einer burgartigen Befestigung erkennen. Einige Tafeln mit Erläuterungen und Zeichnungen helfen bei der Vorstellung.
Saalkirche (4)
Da ich wohl nicht richtig lesen konnte, springe ich ein wenig in der Abfolge des Rundwegs umher und lande erst jetzt bei der Saalkirche. Eigentlich gibt es in der Saalkirche eine Präsentation, aber die ist seit Monaten aufgrund einer defekten Videoüberwachungsanlage geschlossen. Somit ist die Saalkirche „zur Zeit aus technischen Gründen leider nicht zu besichtigen“ (Öffnungszeiten).
Die vorromanische evangelische Saalkirche ist die zweit- oder drittälteste Kirche in Ingelheim am Rhein.
Der Name leitet sich nicht von der Tatsache her, dass es sich um eine Saalkirche handelt, sondern vielmehr aus dem Standort der Kirche im „Saal“ genannten Gebiet des Stadtteiles Nieder-Ingelheim, in dem früher die Ingelheimer Kaiserpfalz stand.
(Seite „Saalkirche (Ingelheim)“. In: Wikipedia, Die freie Enzyklopädie. Bearbeitungsstand: 23. Februar 2020, 19:41 UTC. (Abgerufen: 5. März 2020, 17:26 UTC))
Früher dachte man, die Saalkirche sei identisch mit der zur Kaiserpfalz gehörenden Kapelle St. Peter. Doch das geistige Zentrum war zunächst die St.-Remigius-Kirche. Die Saalkirche wurde erst über 100 Jahre, im 10. Jahrhundert, nach dem Bau der Kaiserpfalz errichtet.
Portal der ehemaligen Schaffnerei: Zuckerberg 26
Punkt 16 des Rundwegs, das Portal der ehemaligen Schaffnerei, wird zu einer persönlichen Reise in meine Vergangenheit. Zunächst stehe ich nur vor einem wunderbar renovierten zweistöckigen Gebäude. An seiner rechten Seite ist ein holzenes Hoftor mit zwei Gaubenfenstern darüber, rechts daneben ist noch eine Bruchsteinmauer. Das Haupthaus hat im oberen Stockwerk fünf Fenster. Im Erdgeschoss sind es vier Fenster, in der Mitte ist die Eingangstür. Der Türrahmen ist aus rotem Sandstein, mit einem Doppeladler und der Jahreszahl 1612 im Sturz. Ursprünglich stammt das Türgewände aus der kurpfälzischen Schaffnerei, die ab 1576 im Bereich der Aula Regia lag. Bis 1980 war das Portal noch in einem Wohnhaus des Zuckerbergs verbaut.
Für mich ist es jetzt persönlich. Denn die ersten vier Jahre meines Lebens verbrachte ich im Zuckerberg 26 neben Mistkaut und Kuhstall. Hier erfährst Du, wie und warum ich von 1961 bis 1965 mitten in Ingelheim in einem Bauernhof mit WC im Hof lebte:
Neben Mistkaut und Kuhstall: Mein Leben im Zuckerberg 26
Befestigung, Reste der Wehrmauer (11)
Zum Abschluss spaziere ich noch ein wenig an den Resten der Wehrmauer entlang, bis ich dann nach einer guten Stunde wieder am Museum bei der Kaiserpfalz ankomme.