Das Festungswerk Four-à-Chaux der Maginot-Linie bei Lembach bietet bei einer Führung ein eindrucksvolles Erlebnis. Tief unter der Erde wurden bis 1940 Geschützanlagen gebaut, um angreifende deutsche Truppen abzuwehren. Wir nutzten das mäßige Wetter und nahmen an einer deutschsprachigen Führung teil.
Bei Lembach, etwa 6 km südlich der französisch-deutschen Grenze (Google Maps) und nicht weit von Wissembourg, befindet sich das Festungswerk (Ouvrage) Four-à-Chaux der Maginot-Linie. Hier, in dem bewaldeten Gebiet, sieht man kaum Kuppeln von Festungswerken. Doch auf der Fahrt von Wissembourg nach Haguenau sieht man manchmal von der Straße aus noch Kuppeln in den Äckern. Gewaltige Summen steckte Frankreich in den Aufbau der Maginot-Linie, um gegen einen Angriff Deutschlands gerüstet zu sein. Eine Führung verschafft einen sehr guten Eindruck, wie gigantisch das ganze Vorhaben war. Von unserem Führer bekamen wir auch weitere Hintergründe. So wurden Elsässer nach der französischen Niederlage in die deutsche Wehrmacht gepresst. Gastons Vater kam dann in den 1950ern aus der russischen Kriegsgefangenschaft zurück in die Heimat – und trug die Wehrmachtsuniform des Feindes, was dort gar nicht gut ankam.
Vor acht Jahren hatten wir bereits einmal ein Festungswerk der Maginot-Linie besichtigt. Mein Bericht: Fort de Schoenenbourg – Wandern unter der Maginot-Linie im Elsass.
Inhaltsverzeichnis
Die Maginot-Linie
Die Maginot-Linie ([maʒi’noː], französisch Ligne Maginot) war ein aus einer Linie von Bunkern bestehendes Verteidigungssystem entlang der französischen Grenze zu Belgien, Luxemburg, Deutschland und Italien. Das System ist benannt nach dem französischen Kriegsminister André Maginot. Es wurde von 1930 bis 1940 gebaut, um Angriffe aus diesen Nachbarländern bzw. die über deren Territorien eventuell angreifenden Hegemonialmächte Deutschland und Italien zu verhindern bzw. abzuwehren. Darüber hinaus wurde die Südspitze Korsikas befestigt.
Der Vorstoß der deutschen Truppen durch die neutralen Staaten Belgien und Niederlande umging jedoch 1940 die Maginot-Linie. Die französischen Truppen erlitten, zusammen mit dem britischen Expeditionskorps, eine überwältigende Niederlage. Die Maginot-Linie wurde insgesamt nur wenig in Kampfhandlungen verwickelt. Die wenigsten Artilleriewerke wie das von Schoenenbourg wurden ernsthaft beschädigt oder gar erobert.
Das Festungswerk Four-à-Chaux
Four à Chaux (abgekürzt: FAC) war ein Artilleriewerk der französischen Maginot-Linie (die deutsche Bezeichnung lautete Kalkofen oder Panzerwerk 615) bei Lembach im Elsass. Das Werk im Festungsabschnitt Vosges erhielt seinen Namen von einer in der Nähe befindlichen Kalkbrennerei und hatte zusammen mit dem nur 1,5 km entfernt liegenden Infanteriewerk Lembach die Aufgabe, das Tal der Sauer zu sperren.
Die gesamte Festungsanlage wurde in einen etwa 270 m hohen Berg zwischen der Sauer und dem Schmelzbach hineingebaut. Wegen des sehr schmalen Bergrückens entstand ein sehr kompaktes Artilleriewerk mit einer für die Maginot-Linie geringen Ausdehnung von nur etwa 650 m. Zwischen 1930 und 1935 entstanden insgesamt acht Blöcke, an deren Errichtung zum Teil 800 Arbeiter pro Schicht rund um die Uhr beschäftigt waren. Der Mannschaftseingang führt ebenerdig in das Werk. Im Munitionseingang ist ein elektrischer Schrägaufzug eingebaut, der Munition und andere Versorgungsgüter nach oben transportiert.
Das Festungswerk Four-à-Chaux wird von einem Verein betreut. Four-à-Chaux ist nur mit Gruppenführungen zugänglich, die zu unterschiedlichen Zeiten in französisch oder in deutsch angeboten werden (Besichtigen | Festung Four-à-Chaux – Maginot Linie). Die Tickets für die Führung gibt es am unteren Eingangsblock für den Nachschub, wo auch die Führung startet. Nach einer nur etwa 200 m kurzen Strecke, leicht den Hang hinauf, geht es durch den Eingangsblock für die Soldaten in das Festungswerk.
- Es gibt zwei Eingänge: Einen für die Soldaten und einen weiteren, tiefer liegenden für Nachschub.
- In der Nähe der Eingangsblöcke befinden sich Versorgungseinrichtungen wie Kaserne, Küche, Lazarett, Kraftwerk, Wasservorräte, Kraftstoffreserven,
- Unterirdische Tunnel verbinden die Blöcke und die Einrichtungen in einer Tiefe von 18 bis 30 Meter miteinander. Die großen Verbindungstunnel sind etwa einen Kilometer lang. Zu den Kampfblöcke mit den Kanonen gibt sternförmige Tunnel zu den Geschütztürmen oder zu verschiedenen Einrichtungen.
- Die Geschütztürme hatten unterschiedlich starke Kanonen, teilweise waren es auch nur stark gepanzerte
- Die Geschütztürme ließen sich ausfahren und bei starkem Beschuss wieder versenken.
- Die komplette Energieversorgung erfolgte normalerweise durch eine Starkstromleitung von außen aus dem französischen Hinterland.
- Durch ein Kraftwerk mit Dieselgeneratoren, Verpflegung, Wasser und Munitionsdepots war das Fort unabhängig für etwa 3 Monate.
Nach dem Eingangsblock für die Soldaten kommt zunächst ein Eingangsbereich, der mit Schießscharten gesichert ist. Danach folgt der „Kasernenbereich“, in dem die Soldaten untergebracht sind. Dort gibt es Schlafräume, Krankenbereich mit Operationssaal, Aufenthaltsraum, Küche. Gegessen wurde in dem großen Tunnel, an den Wänden waren Klapptische und -stühle angebracht.
Das Festungswerk sollte drei Monate vollkommen autark sein. Dazu gehörte auch, dass es möglicherweise Verletzte und Tote gab. Das konnten ganz „normale“ Unfälle sein. So gab es eine kleine Leichenhalle, einen Krankenbereich mit Operationssaal, eine Zahnarztstation. Für die Dieselgenerationen wurde Brennstoff gelagert.
Es gab Notausgänge mit jeweils zwei nebeneinander liegenden Schächten. In dem ersten Schacht (etwa halb so hoch wie der zweite Schacht) kletterten im Notfall die Soldaten hoch. Der zweite Schacht war etwa von der Hälfte bis zur Oberfläche mit Sand gefüllt. Der erste Soldat im ersten Schacht betätigte oben eine Klappe, wodurch der Sand des zweiten Schachts nach unten durchfiel. Dann konnten die Soldaten durch den zweiten Schacht zur Oberfläche klettern.
Das Four-à-Chaux (ein kleineres der Artilleriewerke) hatte eine Besatzung von 580 Soldaten, die in drei Schichten dienten (Dienst, Schlafen, Ruhen). Davon knapp 80 Offiziere und Unteroffiziere. Die Festungswerke waren so konzipiert, dass möglichst wenige Soldaten benötigt wurden. Daher wurden für die damalige Zeit sehr moderne Geräte verwendet. So hatte die Küche einen Kartoffelschälautomaten.
Die Kanonentürme mit 7,5 cm konnten mit sechs Personen bedient werden. Alle Maschinen wurden mit Strom betrieben, hatten aber als Ersatz eine manuelle Betätigung. So konnten die Geschütztürme (mehrere dutzend Tonnen Gewicht) über eine Kurbel komplett angehoben und wieder versenkt werden (erreicht wurde dies durch ein tonnenschweres Gegengewicht).
Die Soldaten in den Geschütztürmen schossen „blind“, denn die Angaben über Himmelsrichtung und Neigung des Kanonenrohrs erhielten sie über ein System, ähnlich wie man es aus Filmen für Dampfschiffe kennt. Ein Zeiger wechselte auf eine neue Stellung, die Soldaten bestätigten dies über „ihren“ Zeiger. Somit konnten die Kanonen selbst bei viel Lärm bedient werden. Die Ziele wurden beispielsweise über Beobachtungskuppeln identifiziert und an die Befehlszentrale übermittelt. Die Befehlszentrale wählte den entsprechenden Geschützturmbereich aus, dort gab es die Besatzung an die Geschütztürme weiter.
Die Geschosse wurden in den jeweiligen Geschützbereiche weit unter den Geschützen in großen Magazinkisten gelagert. Die Magazinkisten wurden über Deckenhalterungen zu einem Aufzug transportiert und dann zu den Geschützen hochgefahren. Dort wurden die Geschosse durch ein Rohr hoch in den Geschützturm befördert. Nach dem Abschuss kullerte die leere Geschosshülse in einer Rutsche wieder hinunter und wurde dann in eine Magazinkiste für leere Hülsen geschoben. Die Geschütztürme konnten über das Gegengewicht komplett etwa 40 cm angehoben beziehungsweise wieder versenkt werden.
Der Eingang für den Nachschub liegt tiefer als der Kasernenbereich und der Kampfbereich. Da das Festungswerk Four-à-Chaux ein kleineres Festungswerk war, verzichtete man auf Lokomotiven, die den Nachschub auf den Schienen zogen. Die Wagen wurden mit der Hand gezogen. Um die Wagen auf die obere Ebene zu bringen, gab es ein „Schrägwerk“. Die Wagen wurden auf eine separate Draisine des Schrägwerks gezogen, die wiederum an einem Seil hing, das nach oben führte und an dessen anderem Ende ein Gegengewicht hing. So konnte der Nachschub mit wenig Strom und im Notfall auch manuell hochgezogen werden.
In der tiefergelegenen Nachschubebene waren die Dieselgeneratoren sowie Werkstätten für Reparaturen untergebracht. Nach der Kapitulation wurde bereits viel Material aus den Festungswerken entfernt. Nach Ende des Zweiten Weltkriegs wurden sie geradezu ausgeschlachtet. Auch die vier Dieselgeneratoren des Festungswerks Four-à-Chaux wurden entfernt. Anfang der 1950er Jahre erwägte die französische Armee, einige Festungswerke als Bunker (beispielsweise für Nachschub) zu reaktivieren. So wurden für das Festungswerk Four-à-Chaux zwei Dieselgeneratoren nachgebaut. Aktuell ist ein nachgebauter Dieselgenerator aus einem anderen Festungswerk im Festungswerk Four-à-Chaux. Der Verein, der das Festungswerk betreut und die Führungen durchführt, konnte viele Originalgegenstände aus anderen Festungswerken (oder beispielsweise vom Speicher eines Anwohners) retten, wieder instandsetzen und im Festungswerk Four-à-Chaux einbauen.