Im Naturschutzgebiet zwischen Heidesheim und Wackernheim treffen wir uns mit dem Rheinhessen-Imker Michael und bestaunen die vielen Bienenvölker. Auge in Auge mit einer Million Bienen erfahren wir viel über Bienen und das Imkern – und am Schluss genießen wir eine Honigprobe.
Zunächst gibt es Antworten auf häufige Fragen, und dann geht es los mit unserem Besuch.
Inhaltsverzeichnis
Wie ist ein Bienenstock aufgebaut?
Ein Bienenstock von Honigbienen lebt in einer „Beute“, das sind ein oder mehrere übereinandergestapelte Kisten, die meistens aus Holz sind. Ein der Kisten nennt man „Zarge“. In der Kiste hängen mehrere Rahmen, in denen die Bienen die Waben bauen.
Wieviel Bienen leben in einem Bienenvolk?
Je nach Jahreszeit und Bienenvolk leben ungefähr zwischen 5.000 und 50.000 Bienen in einem Bienenstock. Je größer das Nahrungsangebot, desto mehr Bienen. Zum Herbst hin werden es daher wieder weniger Bienen. Zum Überwintern sollte ein Bienenvolk mindestens um die 5.000 Bienen haben.
Warum beruhigt Rauch die Bienen?
Das ist ein Irrglaube, denn Rauch beruhigt nicht sondern alarmiert sie. Sie denken, dass der Bienenstock und die Königin durch Feuer in Gefahr seien. Deswegen bereiten die Bienen ihre Flucht vor und füllen ihre Mägen mit Honig als Nahrungsvorrat für die Flucht. Dabei sind sie viel zu beschäftigt, um sich um den Imker zu kümmern.
Unser Besuch
Es ist an einem Sonntagvormittag im Juli, kurz vor 11 Uhr. Ich stehe auf einem Grundstück oberhalb von Heidesheim. Vor mir stehen haufenweise hellbraune Kästen. Über sie hinweg blicke ich auf das Rheintal und den dahinterliegenden Taunus. Der Himmel ist bedeckt, doch ständig schimmert etwas Sonnenschein durch die Wolkendecke. Geräumige Stille umgibt mich, nur durchbrochen durch die Unterhaltung Manuelas mit dem Rheinhessen-Imker Michael und durch das Summen der Bienen.
Vor ein paar Tagen stieß ich auf einen Blogartikel über das seit langer Zeit viel zu trockene Wetter. Das sei nicht gut für die Bienen. Ich war auf dem Blog der Rheinhessen-Imker Michael und Anna gelandet. Ich stöberte ein wenig im Blog und war fasziniert. Ich nahm mir vor, sie einfach anzuschreiben und um ein Treffen zu bitte. Weil ich das nicht sofort in meiner Aufgaben-App festhielt, vergaß ich das zunächst wieder. Glücklicherweise erinnerte ich mich wieder daran und schrieb eine kurze E-Mail an die Rheinhessen-Imker.
Gestern sah ich Michaels Antwort vom Freitagabend um 23 Uhr. Es sei kurzfristig, ob ich mich dennoch mit ihm am Sonntagmorgen treffen wolle. Ein kurzes Telefonat mit Anna und eine weitere E-Mail später verabredeten wir uns für heute um 10:30 Uhr. Jetzt ist Manuela ins Gespräch mit Michael vertieft, während ich den Ausblick und das Summen genieße.
Rund 18 Bienenvölker haben die beiden Rheinhessen-Imker. Das variiert, manchmal verliert man ein Volk, manchmal fängt man eines ein, und manchmal versetzt man eine Zarge weg von der Beute. Zarge, Beute. Nach kurzer Zeit schwirrt mir der Kopf von den vielen Begriffen. Eigentlich wollte ich mir Notizen machen, den Schreibblock habe ich sogar dabei. Aber irgendwie höre ich lieber einfach den beiden zu, bestaune die Bienen und stelle gelegentlich eine Frage.
Als Bienenstock wird eine vom Imker zur Verfügung gestellte künstliche Nisthöhle (Behausung) mitsamt dem darin befindlichen Volk von Honigbienen bezeichnet. Die Behausung allein wird Beute genannt. Moderne Magazinbeuten bestehen aus einer oder mehreren übereinander gestellten sogenannten Zargen (oben und unten offene Kästen) sowie einem abnehmbaren Deckel und einem untergesetzten Boden aus Holz oder Kunststoff.
(Seite „Bienenstock“. In: Wikipedia, Die freie Enzyklopädie. Bearbeitungsstand: 12. Mai 2018, 23:03 UTC. (Abgerufen: 24. Juli 2018, 12:02 UTC))
Das Grundstück wirkt wild und heimelig zugleich. Eine kleine Oase im Naturschutzgebiet. Manuela löchert Michael weiter mit ihren Fragen. Ich erinnere mich an ein Foto von Michael und Anna auf dem Blog der Rheinhessen-Imker. Ich hatte mich gefragt, ob Anna so klein, oder Michael so groß wäre. Manuela ist knapp 1,70 Meter lang. Michael wirkt fast so, als ob er sich klein macht, damit Manuela sich nicht so klein vorkommt. Geduldig beantwortet er ihre Fragen und blickt dabei auf sie herab. Das wäre also geklärt. Ich inzwischen halte es nicht mehr aus und nähere mich einer Beute und dem Gesumme davor.
Mit meiner Kamera mache ich zig Fotos, eines nach dem anderen. Ein paar davon werden schon scharf sein. Diesmal bin ich so eifrig, dass ich das Stativ im Rucksack vergesse. Dabei hatte ich die Kamera auf das Stativ montieren wollen und in aller Ruhe die Bienen mit genau geplanten Einstellungen fotografieren wollen. Während ich mir hektisch vorkomme, summen die Bienen einfach nur herum, starten, landen. Keine kommt mir nahe oder attackiert mich. Sie ignorieren mich einfach.
Michael meint, dass Bienen sich nicht für Menschen interessieren, außer diese wären gefährlich, und die Bienen müssten sich verteidigen. Währenddessen bringen die Bienen ihre Beute ein in die Beute, manche haben riesige rote Pollensäcke an den Beinen. Natürlich erwische ich genau solche in meiner Hektik nicht scharf auf meinen Fotos.
Anna und Michael haben das Gelände im Naturschutzgebiet „Hangflächen südöstlich Heidesheim“ (OpenStreetMap) erst vor ein paar Jahren übernommen. Die Hütte auf dem Gelände sieht älter und etwas vernachlässigt aus. Das liegt an der Problematik mit dem Naturschutzgebiet. Anna und Michael hatten zunächst keine Arbeit in die Hütte gesteckt, solange ein paar Dinge nicht geklärt waren. Jetzt liegt Holz für anstehende Reparaturen bereit.
Das Naturschutzgebiet ist etwa 150 ha groß. Es umfasst Teile der Gemarkungen Heidesheim und Wackernheim, Verbandsgemeinde Heidesheim, im Landkreis Mainz-Bingen.
(Rechtsverordnung über das Naturschutzgebiet „Hangflächen südöstlich Heidesheim“, PDF)
Im Aufwind des Hangs segeln immer wieder ein paar Vögel, während ich mir die Beuten genauer anschaue. Die Zargen sind wie Stockwerke, die man auch mit Folien oder anderem Material trennen kann. Obenauf ist eine metallene Abdeckung, die mit einem Stein beschwert ist. Es reizt mich, einfach einmal eine Abdeckung abzuheben, aber das mache ich natürlich nicht. Schließlich ist Michael hier der Imker, und ich habe überhaupt keine Ahnung.
Manuela und Michael sind noch im Gespräch, aber ich habe schon das Wort „öffnen“ gehört. Michael holt jetzt eine kleine Kanne mit einem Blasebalg, den Smoker. Sobald er den Blasebalg drückt, kommt Rauch heraus. Doch der Rauch betäubt oder beruhigt die Bienen nicht. Die Bienen nehmen den Rauch als Gefahr wahr, bereiten die Flucht vor und füllen ihre Mägen mit Honig als Nahrungsvorrat für die Flucht. Dabei sind sie viel zu beschäftigt, um sich um uns zu kümmern.
Michael holt einen Holzrahmen mit Bienenwaben heraus. Der Honig ist deutlich zu sehen, auch die Larven in manchen Waben 🙂 Von dem Honig dürfen wir ein bisschen probieren. Er schmeckt herrlich frisch und süß.
Wir gehen zu einer anderen Beute, die Michael für uns öffnet. Manuela fällt sofort auf, dass diese Bienen etwas anders aussehen. Michael erzählt uns von den Bienenrassen, die hauptsächlich in Deutschland verbreitet sind. Wenn ich das richtig behalten habe, waren die Bienen vom ersten Bienenstock von der Bienenrasse Carnica (Kärntner Biene), die in Deutschland sehr weit verbreitet ist. Die Bienen des zweiten Bienenstockes waren Buckfastbienen. Ich bin so sehr von den Bienen fasziniert, dass ich in meiner Konzentration nicht richtig zuhöre. Die Buckfastbienen sehen jedenfalls viel dunkler aus.
(Video: Wie unterscheidet man Bienenrassen? Carnica, Ligustica, Dunkle Biene, Buckfast)
Der Honig sieht viel dunkler aus. Und dieser Honig schmeckt auch anders. Irgendwie „waldig“. Das Aussehen und der Geschmack von Honig hängen sehr von den Blüten und Pflanzen ab, die ein Bienenstock bevorzugt. Michael zeigt auf den Lennebergwald (siehe „Großer Mainzer Sand und Lennebergwald“), den man von hier oben gut sehen kann. „Aha,“ denke ich mir „davon kommt also dieser Waldgeschmack„. Tatsächlich lässt sich nur schwer festlegen, auf welche Blüten die Bienen sich festlegen. Die Bienen schwirren herum, und plötzlich gefällt ihnen eine Blütenart. Dahin fliegen sie dann immer wieder hin. Und das in einem Umkreis von bis zu drei Kilometern. Wenn man also einen bestimmten Honig haben will, beispielsweise Lindenblütenhonig, dann müsste man wohl die Beute (also die Kästen mit dem Bienenvolk) so hinstellen, dass im Umkreis von 3 Kilometern nichts anderes blüht – also mitten in einen Lindenwald. Das klappt natürlich nur selten in unserer vielfältigen Landschaft.
Die Bienen gewöhnen sich sehr an ihre Beute und ihre Umgebung. Will man einen Bienenstock umsiedeln, dann muss man ihn eben ein paar Kilometer wegbringen – oder halt an derselben Stelle lassen. Nur wenn sie weit genug weg sind von ihrer alten Umgebung, suchen sie sich neue Blütengebiete.
Hier ist ganz schön was los. In den Beuten herrscht enges Gedränge, und auch in der Luft schwirren ständig Bienen um uns herum. Seltsamerweise habe ich überhaupt keine Angst, dass ich gestochen werde. Die Bienen schwirren nämlich irgendwie sehr ruhig und verlässlich. Solange ich keine hektischen Bewegungen mache, fühle ich mich sicher. Im Gegensatz zu Manuela habe ich keinen Imkerhut mit einem Schleier rund um den Kopf auf. Wow, bei 18 Bienenstöcken kommen schon ein paar tausend Bienen zusammen. Ich frage Michael, wie viele Bienen so ein Bienenvolk denn hat. Da staune ich dann noch mehr: Je nach Jahreszeit und Bienenvolk sind das zwischen 5.000 und 50.000 Bienen – oder sogar noch mehr! Zum Herbst hin werden es wieder weniger Bienen (klar, die Nahrung lässt auch nach). Zum Überwintern sollte ein Bienenvolk noch so um die 5.000 Bienen haben. Jetzt aber hat so ein Bienenvolk schon mal wesentlich mehr als 50.000 Bienen. Wow. Grob überschlagen sind hier so um die 1.000.000 Bienen!
Bienenstöcke sollten normalerweise auch registriert, dokumentiert und geprüft werden. Was sich zunächst nach freiwilliger Zwangsbürokratie anhört, hat jedoch einen ernsten Hintergrund. Wenn ein Bienenstock von Krankheiten wie der Amerikanischen Faulbrut (Faulbrut bei Wikipedia, Amerikanische Faulbrut bei der Bayerischen Landesanstalt für Weinbau und Gartenbau) befallen wird, dann können so die Bienenstöcke in der Umgebung entsprechend identifiziert und leider oft dann auch vernichtet werden. Andernfalls verbreitet sich eine Seuche immer weiter. In den letzten Jahren hat die Stadtimkerei immer mehr zugenommen. Berlin gilt weltweit als eines der Zentren der Stadtimkerei. Es gibt jedoch Stadtimker, die ihre Bienenstöcke nicht registrieren und auch nicht prüfen lassen. Eine Seuche kann sich dann durch nicht dokumentierte und nicht geprüfte Bienenstöcke schnell verbreiten und andere Bienenvölker vernichten.
Die Imkerei ist der Grund, weswegen Honigbienen nicht aussterben: Die Imker kümmern sich um die Bienenvölker und füttern sie mit Zuckerwasser, wenn sie zu wenig Honig sammeln konnten. Wildbienen haben diese Unterstützung leider nicht. Hier im Naturschutzgebiet haben Anna und Michael mit einem besonderen „Schädling“ zu kämpfen: Ein Grünspecht kommt gelegentlich und hämmert sich ein Loch in eine Zarge. Anna und Michael bleibt dann nichts anderes übrig, als die Löcher zu verstopfen und zuzukleben.
Jetzt führt uns Michael zur Hütte und damit zur Honigprobe. Er lässt uns verschiedene Honigsorten probieren. Da sind beispielsweise „Frühlingsblüte“, „Wildblütenhonig“ und sogar der „1. Mainzer Bienenhonig“. Weil hier in der Umgebung alles Mögliche wächst und blüht, ist es gar nicht so einfach, einen sortenreinen Honig zu gewinnen. In der Umgebung sind beispielsweise viele Obstbäume. Durch eine Geschmacksprobe lässt sich bei Honig oft ein Schwerpunkt, die Lieblingsblüte eines Bienenvolkes, erkennen. Aber in so einer vielfältigen Landschaft wie hier ist es dann schon einmal ein „Sammelsurium“ von Frühlingsblüten. Natürlich lässt sich Honig analysieren – aber mir schmeckt er hier auch so.
Etwa eineinhalb Stunden haben wir hier mitten zwischen den Bienenstöcken verbracht, und es war überhaupt nicht langweilig. Michael hat uns so viel erklärt, dass mir der Kopf fast noch mehr schwirrt als dies die Bienen tun. Das meiste werde ich mir wohl nicht merken können. Ich hätte doch meinen Schreibblock zücken sollen. Aber dann hätte ich mich viel zu sehr auf Fakten, Fakten, Fakten konzentriert. So war es für Manuela und mich ein großartiges Erlebnis, das wir sehr genossen haben.
Apropos Genuss: Manuela ist sowieso gelegentlich in Ingelheim. Also hat sie sich vorgenommen (und von mir den Auftrag bekommen), dass sie Anna und Michael einmal zuhause besucht und Honig kauft.
… MANUELA???
Alle Fotos
Diese und noch mehr Fotos findest Du im Album „Besuch beim Rheinhessen-Imker“ auf Flickr.
Die Rheinhessen-Imker
Website und Blog der Rheinhessen-Imker findest Du auf hier: