Wir sind im Urlaub und tun gerade – nichts. Seit ein paar Stunden regnet es mit unterschiedlicher Intensität. Die Kühe lassen sich bei diesem Wetter nicht blicken, nur eine Katze schleicht irritiert über die Weide vor unserem Fenster. Wir hören „Dean Martin Radio”, lesen ein wenig, unterbrechen unser Schweigen nur für wenige verständnisvolle Worte und genießen den süßen Atem des Nichtstuns.
Ich liebe es, wenn ein Plan funktioniert.
Seit Samstag, also fast seit einer Woche, sind wir in Orbey in den Vogesen. Sonntag bis Dienstag haben wir genutzt für intensive Wanderungen, am Mittwoch waren wir nur kurz zum Einkaufen und am Kreuz des Geldes („Creux d’Argent”). Gestern waren wir wieder unterwegs und auf der Drei-Burgen-Wanderung bei Ribeauvillè. Anstrengender als gedacht, mit über 30 Grad heißer als gedacht. Wir haben die Wanderung genossen, auch wenn wir abends etwas groggy waren. Heute wollten wir bei Kaysersberg wandern. Nur eine kleine Wanderung, Du kennst das vielleicht.
Wenn der Plan nicht zur Wirklichkeit passt: Pfeif‘ auf den Plan!
Ein schöner Plan. Die Wettervorhersage drohte mit Regen, Du kennst das vielleicht. Also Planänderung. Kurzer Ausflug mit dem Auto zum Parkplatz unterhalb vom Tour du Faudé, den ich am Sonntag erklommen hatte. Ein Kilometer hochlaufen, auf den Turm, die Aussicht genießen, hinunterlaufen. Fahrt zur Ferme (Farm, Bauernhof) und selbstgemachten Käse kaufen (natürlich nur das Nötigste…). Im Ferienhaus den Käse abliefern, nach Kaysersberg fahren und ein wenig im Städtchen herumstreifen, zurückfahren. Fertig. Nichts mehr tun. Also ein neuer Plan, ein „Fast-nichts-tun-Plan”. Das Leben kann so abwechslungsreich sein.
Dann das. Blauer Himmel. Wir blieben bei unseren „Fast-nichts-tun-Plan”, allerdings mit einem ersten Abstecher zum Creux d’Argent, um Schönwetterfotos zu machen. Beim Ausblick vom Turm waren bereits die ersten dunklen Wolken aufgezogen. Zurück zum Auto, Navi an und losfahren. „… schließt in Kürze” meinte das Navi. „Hm…”. Pünktlich um 11:30 Uhr fuhren wir in der Farm vor den Laden – der gerade geschlossen hatte. Das Leben kann so abwechslungsreich sein. Weiter direkt nach Kaysersberg, ein wenig durch das Städtchen streifen, die Burg erobern. In Kayersberg über einen Käseladen stolpern. Reinstolpern. Mit Kreditkarte zahlen (der Betrag war dreistellig), während es draußen zwischendrin regnete. Das Leben kann so abwechslungsreich sein.
Gegen 15 Uhr waren wir zurück in unserem kleinen Feriendomizil. Wortlos setzen wir uns an den Esstisch. Manuela packt ihren Kindle aus. Ich schaue etwas nach und streife durch meine Leseliste. Aus dem Lautsprecher klingt einige Zeit Musik aus den Sechzigern, bis ich dann auf Tidal meine Playlist „Dean Martin Radio” aufrufe. Zwischendurch macht uns Manuela mit der Siebdruckmaschine Kaffee, wir schlabbern wunderbar fürchterlich schokoladige Schokotörtchen der hiesigen Pâtisserie. Ich hole mir etwas Wärmeres zum Anziehen und blicke aus dem Fenster direkt auf die Weide vor dem Ferienhaus. Nein, keine Kühe da. Kein Wunder, denn „it’s raining cats and dogs”. Da schleicht eine Katze in einer Entfernung von etwa 4 Metern vorbei. Ich wispere ihr zu. Irritiert schaut sie durch den Regen und in die Gegend. Dann verschwindet sie. Das Leben kann so abwechslungsreich sein.
Aus dem Lautsprecher klingt inzwischen „Moon River” in der zigsten Version. In Stille lesen, Musik hören, ein paar Worte schreiben, ein wenig Charcuterie und Käse essen. Nichts Produktives. Eigentlich nichts.
Schweigend genießen wir den süßen Atem des Nichtstuns.