Schoppe? Schorle? Unbedarfte Ausflügler werden unversehens in Rheinhessen und anderen Weinregionen mit diesen Begriffen konfrontiert. Das kann auf einem Weinfest bei einer Bestellung schon einmal zur Verwirrung führen. Es ist kompliziert, besonders in Rheinhessen aka „Roihesse“. Und in Selzen? Nun ja.
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Schorle
Im ersten Augenblick sieht das gar nicht so kompliziert aus, oder? Da ist zunächst „Schorle“ als Bezeichnung für ein Mischgetränk aus Wein und mit Kohlesäure versetztem Wasser („Sprudelwasser„). Meistens wird Weißwein verwendet, und da sehr oft Riesling, gerne auch Scheurebe (also „Scheu-Schorle“, aber auch Müller-Thurgau aka Rivaner oder auch Silvaner). Doch es gibt auch Roséschorle, Rotweinschorle, süße Schorle (mit Zitronenlimonade im Gegensatz zu saure Schorle mit Sprudel pur) und weitere Variationen (sogar mit Fruchtgetränken!). Manchmal bestellt man in Rheinhessen einen „Sauergespritzten“, und der Winzer versteht „saure Weißweinschorle“ – auch wenn andere Regionen unter Sauergespritztem etwas anderes verstehen. Die Verwirrung fängt spätestens an, wenn man als Pfälzer nach Rheinhessen kommt. In der Pfalz wird oft „der Schorle“ gesagt (warum auch immer), in Rheinhessen hingegen „die Schorle„.
Um das Mischungsverhältnis von Wein und Wasser (oder was auch immer) zu bezeichnen, gibt es mehrere Varianten. Wenn die Temperaturen hoch sind und der Alkohol im Schoppeglas (dazu kommen wir gleich) niedrig sein soll, wird eine Sommerschorle aka „dünne Schorle“ bestellt. Im Winter … nun ja. Manchmal benutzt man auch die Maßeinheit „Handbreit„, um den Anteil des Weines und den des Wassers zu bestimmen. Dem Winzer kann man auf seine Frage nach dem Mischungsverhältnis begegnen:
Eine handbreit Wein und eine handbreit Wasser!
Damit allerdings überlässt man dem Winzer die Interpretation. Denn eine „Handbreit“ kann eine vertikal gehaltene oder auch eine horizontal gehaltene Hand sein. Bis man das mit dem Winzer ausdiskutiert hat, kann es kompliziert werden.
Schoppen
Ein Schoppen ist eigentlich (aha!) ein Volumen- beziehungsweise Hohlmaß (so wie heutzutage der allgemein gebräuchliche Liter). Und da eine Schorle meist als Schoppen aka Schobbe getrunken wird, wird’s komplizierter. Denn Schoppen aka Schobbe und Schorle werden oft synonym verwendet. Wer also eine Schorle bestellt, weiß, dass er normalerweise einen Schoppen voll mit Schorle bekommt. Und wer einen Schoppen bestellt, bekommt eine Schorle. Wobei man theoretisch auch einen Schoppen mit purem Saft oder mit purer Cola bestellen könnte (aber warum sollte man das?).
Aber wie viel umfasst ein Schoppen? Sehr, sehr, sehr kompliziert war es früher aka „damals„, vor Einführung des Dezimalsystems (und damit des Liters) durch Napoleon. Ein Schoppen war vor der Einführung des Dezimalsystems in vielen Regionen unterschiedlich groß, z.B. 0,375 Liter oder 0,459 Liter oder 0,564 Liter oder in Rastatt sogar 2,3 Liter oder …
Das ist ähnlich verwirrend wie das Längenmaß Elle, das nach der Länge des Unterarmes beispielsweise des jeweiligen Herrschers bestimmt wurde. Ich frage mich irgendwie:
Passte man die Länge einer Elle nach dem Tod des Herrschers an den Unterarm seines Nachfolgers an?.
Mit dem Dezimalsystem wurde in den meisten Regionen aus Schoppen ein Maß für 0,5 Liter – beispielsweise in der Pfalz, unserer Nachbarregion. Doch wir Rheinhessen sind besonders, und so enthält ein rhoihessischer Schobbe aka Schoppen aka eine Schorle nur 0,4 Liter (okay, es gibt andere besondere Regionen wie Baden … also nicht, dass die Pfalz nicht besonders wäre).
Unabhängig davon, ob die Eichmarke des Schoppenglases 0,4 oder 0,5 Liter anzeigt, sollte man – zumindest in Rheinhessen – eine ruhige Hand haben. Denn selten erreicht die Eichmarke die Schorle-Füllhöhe des Glases.
Selzen in Rheinhessen
Sehr, sehr oft bekommt man Rheinhessen 0,4 Liter für eine Schoppen-Schorle. Aber nicht immer. In meiner Gemeinde Selzen beispielweise wird’s noch komplizierter.
Wir haben donnerstags einen Wochenmarkt, an dem zwei Weingüter aus Selzen wechselweise ausschenken. Diese Woche beispielsweise bestelle ich beim Weingut Paulinenhof eine dünne, saure Schorle und bekomme 0,4 Liter. Nächste Woche schenkt das Weingut auf den fünfzehn Morgen aus. Dann bestelle ich wahrscheinlich eine dünne Scheu-Schorle – und bekomme 0,5 Liter! Denn der Winzer stammt aus der Pfalz.
Gewiefte Selzer könnten meinen, sie gehen nur dann hin, wenn das Weingut auf den fünfzehn Morgen ausschenkt, denn: Der Preis ist derselbe. Manchmal allerdings übernimmt das eine Weingut das Ausschenken an einem Termin des anderen Weinguts. Aber wie soll man dann seinen Durst löschen? Und wer soll bei so viel Kompliziertheit noch durchblicken?